
Bericht einer Teilnehmerin am JET-Programm:
Umweltschutz als Chance
Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich ca. 4500 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer und 11 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Lesen Sie hier den Bericht von einer ehemaligen CIR, Birgit Bianca Fürst, die von 1996-99 in der Stadt Sapporo auf Hokkaido eingesetzt war und noch immer dort lebt und arbeitet und die Idee des JET-Programms fortführt:
Bilugitto Fyulusuto. In Japan kommt man mit solch einem Namen nicht weit. Selbst der Oberbürgermeister von Sapporo nennt mich Bianca-san – mein zweiter Vorname, der glücklicherweise keine Konsonantenfolgen hat .* 10 Jahre sind vergangen, seit ich CIR in Sapporo war, doch noch immer arbeite ich gerne für die Stadt Sapporo. Die Kontakte aus der CIR Zeit haben hierfür eine angenehme Vertrauensbasis geschaffen.
Als Diplom-Politologin und Japanologin (M.A.) schien mir eine Tätigkeit in Japan reizvoll, so bewarb ich mich auf ein Programm bei der Japanischen Botschaft – damals noch in Bonn. Mein Einsatzort wurde zu meinem Erstaunen Sapporo, die Partnerstadt Münchens. Als frisch gebackene CIR war ich plötzlich Dolmetscherin für die Oberbürgermeister, die zu Jubliäumsfeiern in die Stadt kamen. Grußworte wollten gedolmetscht werden - wie auch die kulinarischen Raffinessen der üppigen Bankette. Für eine Sonderausstellung auf der Heim und Handwerk Messe, half ich Kunsthandwerker zu finden, die bereit waren, ihre Waren in Deutschland auszustellen – darunter auch prämierte japanische Bierkrüge.
Ich assistierte bei der Organisation von Konzerten – die Anforderungen an die Bühnentechnik zu vermitteln, war für mich damals eine sprachliche Herausforderung. Einmal übersetzte ich Dankesbriefe von Schülern, die im Rahmen einer Schulpartnerschaft in München zu Gast waren und staunte über deren scharfe Beobachtungsgabe. Als eine Delegation vom Gartenbauamt zur Pflege des Münchner Gartens nach Sapporo kam, waren meine Kenntnisse der Botanik gefragt. Doch die Aufgaben eines Dolmetschers erschöpfen sich nicht in der reinen Sprachvermittlung. Noch heute denke ich oft an die Situation, als ich zwei Abteilungsleiter zum Mittagessen begleitete. Einer von beiden schnäuzte hemmungslos die Nase in ein Stofftaschentuch, das er gefaltet wieder in die Hosentasche steckte. Für Japaner ein mehr als nur unangenehmer Anblick. Der japanische Kollege schlürfte lautstark und mit Inbrunst seine Spaghetti, was für europäische Ohren beim Essen auf starke Ablehnung stößt. Nur ich schien wahrzunehmen, dass sich beide Abteilungsleiter insgeheim über den Mangel an Manieren ihres Gegenübers empörten. Wäre es damals besser gewesen, nicht nur still zu schmunzeln?
Insgesamt hatte ich ein sehr vielseitiges und weites Sprektrum an Tätigkeiten, und dennoch wunderte ich mich damals, dass der internationale Austausch sich offenbar in Klischees bewegt. Wenn Deutsche nach Sapporo zu Besuch kamen, versuchten Japaner japanischer zu sein, als sie es im Alltag sind. Aus der Partnerstadt München reisten Leute in Trachten an. „Dafür brauchte man doch keine studierte Deutsche einzustellen!“, so meine Reaktion. Sinn und Zweck solcher Begegnungen sollte es doch sein, diese Stereotypie zu überwinden!
Immerhin lernte ich diverse Aspekte über deutsche Kultur, die mir in Deutschland entgangen waren. Und so mancher japanische Kollege wohnte auf diesem Wege seiner ersten Teezeremonie bei.
Mein Vorschlag, das heutige Deutschland, seine Umweltpolitik zum Thema des internationalen Austausches zu machen, fand Anklang – kurz später hielt ich Vorträge zur Radwegeplanung, Biotopvernetzung, Umweltpädagogik, umweltfreundlicher Stadtplanung und Müllvermeidung auf Festen. Auch Bereiche wie Gender, Aids oder Europa griffen wir im Rahmen von Podiumsdiskussionen u.a. auf. Meine CIR-Tätigkeit im Rahmen von Themen mit Alltagsbezug wurde immer spannender.
1997 wurde ich als Ausländerin in eine Stadtplanungskommission berufen, und 1998 völlig überraschend zur Vorsitzenden der Umweltkommission der Stadt Sapporo gewählt. Solche Ämter übernehmen sonst Männer mit dem ranghöchsten Titel oder Alter, nicht junge, blonde Frauen. Meine unkonventionelle Herangehensweise sorgte offenbar für frischen Wind. Mein Anliegen war es, uns nicht in Visionen zu verstricken, sondern ganz konkrete umsetzbare Vorschläge zu machen. Wir arbeiteten nach deutschem Vorbild konkrete umweltpolitische Konzepte aus, die wir dem Oberbürgermeister vorzulegen hatten.
Nach zwei Jahren intensiver – neben meinem CIR Job ehrenamtlicher – Arbeit, war es erst frustrierend, dass außer anerkennendem Lob offenbar nichts passierte. Heute kann ich mich darüber freuen, dass ein Spülmobil auf japanischen Sommerfesten unterwegs ist, umweltpädagogische Programme nach dem Vorbild von FiftyFifty und Ecoprofit angestoßen wurden. Dinge brauchen manchmal Zeitspannen, die man als jüngerer Mensch noch nicht überblickt.
Noch so ein “Kind“ der Kommissionsvorschläge damals ist das Umweltkonzept des Münchner Weihnachtsmarktes in Sapporo. Wegwerfgeschirr wurde vor 4 Jahren nach Münchner Vorbild durch Mehrweg ersetzt. Im Auftrag der Stadt Sapporo übernimmt ein von mir gegründeter Umweltverein die Verantwortung für den Spüldienst auf dem Weihnachtsmarkt. Umweltschutz tut gut. Der Glühwein schmeckt einfach besser aus einer tollen Tasse. Diese positive Message kommt gut an. Seit einigen Jahren arbeiten auch deutsche Zivis im Team mit. Dank neuer Netzwerke konnten wir im letzten Jahr die Emissionen des Spüldienstes sogar durch lokale Quellen klimaneutral halten.
Heute bin ich noch immer – oder immer wieder - in Sapporo und arbeite freiberuflich als Umweltberaterin, halte Vorträge, recherchiere, organisiere Studienreisen zu Umweltthemen und betreue japanische Delegationen in Deutschland.
Spannende Themen gibt es genug: Die Entwicklungen in der Energietechnik werden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Auch umweltpädagogische Projekte im Bereich Erziehung zur Nachhaltigkeit haben Vorbildcharakter für Japan. Motivierend wirken Erfolgsstories aus dem kommunalen Klimaschutz deutscher Städte und Gemeinden. Welche Stadt in Japan kann von sich behaupten, die Ziele des Kyoto-Protokolls bereits erreicht zu haben?
Demnächst soll ein Buch von mir auf japanisch erscheinen, das ich versuche, klimaneutral drucken zu lassen. Auch hier der Tenor: „Umweltschutz ist die Chance“, „Nachhaltigkeit bringt Lebensqualität“.
Die Zeit als CIR war eine gute Schule für sogenannte „working skills“ und schuf langlebige Netzwerke. Beides verdanke ich dem offenen Geist meiner Kollegen damals. Wer im Ausland lebt, bekommt einen scharfen Blick für Vorzüge und Defizite der eigenen Heimat und kann mit dem „Blick von Außen“ seiner „neuen“ Umwelt offen begegnen. Sapporo hat von dem Austausch mit München einige positive Denkanstöße und Ideen erhalten. Sind wir in Deutschland eigentlich auch so offen für Ideen und Gedanken unserer ausländischen Kollegen und Partnerstätdte?
Die Vorreiterrolle im Klimaschutz macht Deutschland zum Vorbild für Japan. Ich bin dankbar, mein Heimatland auf diesem Sektor mit Überzeugung vertreten zu können. Ich lebe quasi einen „deutsch-japanischen Spagat“ und bin gespannt auf weitere grenzüberschreitende Umwelt-Projekte.
* Anmerkung der Redaktion:
In der Struktur der japanischen Sprache bilden Konsonanten mit Vokalen dahinter feste Silbeneinheiten, die die kleinsten zu unterscheidenden Laute sind. Deshalb können reine Konsonantenfolgen nicht gut ausgesprochen werden. Bei ausländischen Namen werden daher im Mündlichen meist Vokale eingefügt bzw. an die Konsonanten hinten angehängt.