
Filme aus Japan
Hiroshima mon amour
(Frankreich-Japan, 1959, 86 Minuten, FSK 16)
In diesem Monat jähren sich die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 64. Male. Das Erinnern an die furchtbaren Geschehnisse zum Ende des 2. Weltkrieges ist angesichts der Serie von Raketenstarts der nordkoreanischen Regierung aktueller als wir uns das wünschen würden. Doch auch ohne die Drohgebärden Nordkoreas sind die Erinnerungen an die Tage im August 1945 nicht verblichen. Sie haben durch Alain Resnais Film „Hiroshima mon amour“ zudem einen speziellen Gedenkstein gesetzt bekommen, von dem Eric Rohmer 1959 sagte: „I think, that in a few years, in ten, in twenty or thirty years, we will know whether Hiroshima mon amour was the most important film since the war, the first modern film of sound cinema.“
Dies einzuschätzen fällt schwer, mir zumindest, doch hat der Film im Jahre 2006 nachweislich Aufnahme in die Lieblingsfilmreihe der Redaktion der Süddeutschen Zeitung gefunden, was zumindest dafür spricht, dass er das Genre prägte.
„Zweihunderttausend Tote. Achtzigtausend Verletzte. In neun Sekunden. Die Zahlen sind amtlich.“ Beginnt das oscarnominierte Drehbuch von Marguerite Duras mit dem Bild des Atompilzes, so sind es bei Resnais zwei nackte Körper, die sich zärtlich berühren und die kontrastiert werden mit Bildern der schrecklichen Verwüstungen, die einst die Bombe hinterließ. Im Hiroshima des Jahres 1957 begegnen sich ein Mann und eine Frau. Sie verlieben sich und verleben eine kurze, aber unvergessliche Zeit miteinander. Die französische Schauspielerin (Emmanuelle Riva) dreht einen Film in Hiroshima und verbringt eine leidenschaftliche Liebesnacht mit einem Japaner, einem Architekten (Eiji OKADA). In der Kürze der Zeit verlieren und finden sie sich, berühren sich, träumen und reden. Die Empfindsamkeit des frischen Gefühls füreinander macht sie verletzlich und ungeschützt und lässt lang verdrängte Dinge an die Oberfläche kommen, wie den tragischen Verlust der ersten Liebe, die die Französin zu einem deutschen Wehrmachtssoldaten empfand. Resnais wollte ursprünglich einen Dokumentarfilm drehen und so ist es kein Zufall, dass die schwarz-weißen Bilder seltsam entrückt und kühl wirken, und die Protagonisten bei aller Liebe fremd und zum Teil befremdlich.
Der Japaner, der sagt: „Nichts hast du gesehen in Hiroshima. Nichts.“ und die Frau, die antwortet: „Alles habe ich gesehen. Alles.“ Zwei seltsam einsame Menschen treffen vor dem Hintergrund eines der dunkelsten Kapitel der Weltgeschichte aufeinander und können doch nicht zueinander kommen. Der Streifen mag ein Meilenstein der Filmgeschichte sein. Ob bewusst oder unbewusst lässt seine Kühle einen frösteln.
Fazit:
„Die Geburt der kinematographischen Moderne aus dem Schock geschichtlicher Katastrophen (…) Alain Resnais erster Spielfilm: Ein Fanal, ein Augenöffnen. Bezwingender Aufbruch der Nouvelle Vague, elektrisierender Diskurs über Erinnern und Vergessen, Ästhetik und Moral. Konfrontation mit einer Wirklichkeit, von der sich nicht mehr in traditioneller Manier erzählen lässt, weil sie die Negation des Humanen ist.“ (Rainer Gansera in der Süddeutschen Zeitung vom 18. Juli 2006).
*J.G. (Diese Rezension stellt eine individuelle Meinung dar und vertritt nicht die offizielle Haltung der Botschaft von Japan)