
Das Problem der Piraterie vor Somalia und Japans Kooperation
Beitrag von Shinya FUJITA, Mitarbeiter der Abteilung für Politik der Botschaft von Japan in Berlin
1. Gesetz zur Bekämpfung der Piraterie
Die vor der Küste Somalias agierenden Piraten stellen ein ernsthaftes Problem dar. Während weltweit die Zahl der Fälle von Piraterie abnimmt, verzeichnen die Überfälle von Piraten vor Somalia einen rasanten Zuwachs. Sowohl für Japan als auch für Deutschland, die beide in hohem Maße vom Außenhandel abhängen, hat die Bedrohung der Sicherheit der Schifffahrtsrouten in der Region am Horn von Afrika durch Piraten erhebliche Auswirkungen auf die jeweils eigene Volkswirtschaft. Aus diesem Grund ist für die Lösung des Problems der Piraterie das geschlossene Engagement aller Länder erforderlich, denen die Stabilität dieser Region am Herzen liegt. Die Resolution Nr. 1816 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen hat die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, bei der Bekämpfung der Piraterie zusammenzuwirken. Die Europäische Union startete im Dezember 2008 im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)die Operation „Atalanta“, an der sich auch Deutschland durch die Entsendung von Einheiten seiner Marine beteiligt. Auch Japan hat seit März 2009 Einheiten seiner Maritimen Selbstverteidigungsstreitkräfte (MSDF) entsandt, die sich im Kampf gegen die Piraten engagieren.
Allerdings war es den japanischen Einheiten anfangs nur gestattet, ausschließlich Schiffe zu beschützen, die in irgendeiner Verbindung mit Japan standen. Daher verabschiedete das Parlament im Juni ein Gesetz, mit dem der Schutz von Schiffen unabhängig von der Nationalität des betreffenden Schiffes und der Besatzungen sowie die Bestrafung von Akten der Piraterie möglich wurden. Dies kann mit Blick auf die effiziente Bekämpfung der Piraterie als ein bedeutender Schritt bezeichnet werden.
2. Japans Kooperation bei Blauhelmmissionen u.a.
Dass die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte (SDF) im Ausland aktiv sind, gilt heute als ganz normal, allerdings war der Weg bis dahin keineswegs einfach. Obwohl Japan anlässlich des Golfkriegs 1990 die Multinationalen Streitkräfte mit ca. 1,3 Mrd. US-Dollar unterstützte, wurde dieser Beitrag keineswegs ausreichend gewürdigt. So wurde 1992 das Gesetz über die Zusammenarbeit für den internationalen Frieden verabschiedet, mit dem die Beteiligung von japanischem Personal einschließlich Angehörigen der SDF an Blauhelmmissionen der Vereinten Nationen, an humanitären Hilfseinsätzen oder an der Beobachtung von Wahlen ermöglicht wurde. Die japanische Nachkriegsverfassung schreibt fest, dass das Land auf die Möglichkeit Krieg zu führen verzichtet, und sie verbietet die Anwendung militärischer Gewalt. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des damaligen Gesetzgebungsverfahrens diskutiert, ob die Entsendung der SDF ins Ausland diese Prinzipien nicht verletzt. Unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes wurden im Rahmen der Blauhelmmission UNTAC eine größere Zahl von Angehörigen der SDF, der Polizei sowie Wahlbeobachter nach Kambodscha entsandt. Im Rahmen dieser Mission verloren auch ein japanischer Staatsangehöriger, der als UN-Volunteer (VN-Freiwilliger) tätig war , sowie ein japanischer Polizeibeamter ihr Leben. Jedoch steht Japan als ein Land, das seiner Verantwortung gerecht wird, in der Pflicht, sich für die Lösung der verschiedenen Aufgaben, denen die Staatengemeinschaft gegenüber steht, zu engagieren. Diese Überlegung hat sich allmählich auch bei den Menschen in Japan durchgesetzt.
Tatsächlich kann Japan heute auf eine ganze Reihe von Erfahrungen im Rahmen von Blauhelmmissionen u.Ä. verweisen. So beteiligen sich die Bodenselbstverteidigungsstreitkräfte (GSDF) seit mehr als zehn Jahren (seit 1996) an der Friedensmission UNDOF auf den Golanhöhen. 1999, als der Konflikt um die Unabhängigkeit Osttimors offen ausbrach, entsandte Japan Einheiten seiner Luftselbstverteidigungsstreitkräfte (ASDF), um den nach Westtimor geflohenen Vertriebenen durch den Transport von Hilfsgütern des VN-Flüchtlingshilfswerks zu helfen. Ich selbst bin einmal in einer Transportmaschine der SDF vom Typ C-130 mit Angehörigen der ASDF, die bei über 40° Hitze im Einsatz waren, mitgeflogen. Als im April 2000 in Bosnien-Herzegowina Wahlen stattfanden, entsandte Japan hierfür eine Wahlbeobachtermission. Ich hielt mich damals für zwei Wochen in Sarajewo auf, das sich zu diesem Zeitpunkt von den Auswirkungen des vergangenen Konflikts bereits recht gut erholt und wieder zu einer schönen Stadt entwickelt hatte, allerdings rief mir während dieser Wochen der Tod eines Mädchens durch eine Mine unmittelbar in Erinnerung, wie heftig der Konflikt gewesen war. Die Wahlen hingegen verliefen im Großen und Ganzen fair.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden Einheiten der MSDF zur Bekämpfung des Terrorismus in den Indischen Ozean entsandt, um die im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ operierenden Einheiten etwa der Deutschen Marine mit Treibstoff zu versorgen. Auch für den Wiederaufbau Iraks wurden Einheiten der GSDF sowie der ASDF im Irak und in Kuwait stationiert. Selbst wenn die Aktivitäten Japans im Ausland verschiedenen Beschränkungen unterliegen, engagiert sich mein Land nichtsdestotrotz mit ganzer Kraft im Rahmen seiner Möglichkeiten.
3. Grundlegende Lösung der Probleme Somalia
Zurück zum Problem der Piraterie vor Somalia. Im März dieses Jahres entsandte Japan zwei Fregatten, auf denen auch Beamte der Japanischen Küstenwache eingesetzt sind, in das Seegebiet vor Somalia und in den Golf von Aden. Diese Einheiten gewährten bislang insgesamt 115 Frachtschiffen im Rahmen von 38 Geleitoperationen Schutz. Seit Juni patrouillieren zudem zwei Überwachungsflugzeuge vom Typ P3-C im Luftraum über dem Gebiet. Kein einziges der Schiffe, das bislang Geleitschutz erhielt, wurde von Piraten angegriffen. Die jüngste Gesetzesänderung, mit der der Umfang der zu schützenden Schiffe ausgeweitet wurde, bedeutet insofern, dass die Verantwortung für Japan weiter zugenommen hat.
Allerdings ist für eine grundlegende Lösung des Problems der Piraterie Somalias mittel- und langfristig gesehen ein vielschichtiger Ansatz unabdingbar, wie etwa die Verbesserung der Kontrolle der Meeresgebiete durch die angrenzenden Staaten, eine regionale Kooperation sowie die Stabilisierung der unsicheren Situation in Somalia selbst, die den Hintergrund für die Zunahme der Fälle von Piraterie bildet. Japan hat bislang 67 Mio. US-Dollar ausgegeben, damit Somalia u.a. seine Fähigkeiten zur Aufrechterhaltung der Ordnung sowie zur Kontrolle seiner Grenzen ausbauen kann. Auch mit den Anrainerstaaten Jemen, Oman, Tansania und Kenia unterhält mein Land eine Zusammenarbeit zur Verbesserung der Überwachungsfähigkeiten. Zudem wird Japan bei der im September stattfindenden 4. Sitzung der Kontaktgruppe für die Bekämpfung der Piraterie vor Somalia den Vorsitz führen. Mein Land beabsichtigt, andere Länder an seinen Erfahrungen, die es bei der erfolgreichen Bekämpfung der Piraterie in Asien gemacht hat, teilhaben zu lassen.
Darüber hinaus engagiert sich Japan als Gastgeber der Tokyo International Conference on African Development (TICAD) für eine umfangreiche Lösung der Probleme Afrikas. Solange die Konflikte und die Armut auf diesem Kontinent nicht beseitigt sind, wird es auch keine Stabilität und keinen Wohlstand für die internationale Gemeinschaft als Ganzes geben.
Japan wird sich daher auch weiterhin aktiv für die Lösung des Problems der Piraterie sowie der Probleme Afrikas einsetzen.