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Neues aus Japan Nr.61 Dezember 2009

Metabolisches Syndrom

Während in Deutschland der Begriff „Metabolisches Syndrom“ noch eher wenig bekannt ist, hat er sich in Japan in den letzten Jahren zu einem allgemein bekannten Begriff entwickelt, der unter dem verkürzenden Schlagwort „Metabo“ sogar Eingang in die Umgangssprache gefunden hat. Mit dem Begriff Metabolisches Syndrom bezeichnet man Krankheitsbilder, die vor allem hinsichtlich der Vorbeugung vor Herz- und Gefäßkrankheiten bei Hochrisikogruppen festgestellt werden. Dazu zählen u.a. die Risikofaktoren Übergewicht infolge Fettansammlung in den inneren Organen und damit einhergehende anormale Fettwerte, erhöhte Blutzuckerwerte sowie erhöhter Blutdruck.

Gerade jetzt zum Ende des Jahres und vor den anstehenden weihnachtlichen Festtagen bzw. dem Neujahrsfest in Japan freut man sich auch auf die vielen guten und reichhaltigen Speisen, die in dieser Zeit zur guten Tradition gehören. Denn mit dem Beginn der kalten Jahreszeit nimmt der Appetit noch einmal zu. Hinzukommt, dass das kalte Wetter dazu verleitet, es mit der notwendigen körperlichen Bewegung einmal nicht so genau zu nehmen… Ein Blick auf die Waage nach Neujahr führt dann oft zu einem nicht geringen Erschrecken. Womöglich lassen sich auch Hose oder Rock, die man zur Arbeit anzieht, plötzlich nicht mehr richtig schließen. Allgemein gesagt sind die Menschen in Japan von eher zierlicher Statur, aber auch in diesem Land ist Übergewicht infolge Fettansammlung in den inneren Organen zu einem Problem geworden, und die Regierung setzt sich mittlerweile mit Nachdruck dafür ein, die Gesundheit der Menschen zu fördern und dem Übergewicht infolge des Körperfetts, das die Ursache für so genannte Zivilisations- oder Wohlstandskrankheiten ist, den Kampf anzusagen.

Seit April 2008 sind alle Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, bei sämtlichen Versicherten zwischen 40 und 74 Jahren im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung auch den Bauchumfang zu messen. Da in Japan alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der öffentlichen Krankenversicherung versichert sind („System der allgemeinen Krankenversicherung“), bedeutet dies, dass bei praktisch allen Japanerinnen und Japanern zwischen 40 und 74 Jahren diese Untersuchung erforderlich ist, immerhin rund 56 Mio. Personen. Was passiert nun mit der Messung des Bauchumfangs? Beträgt der Umfang bei Männern mehr als 85 cm bzw. bei Frauen mehr als 90 cm, besteht Verdacht auf Übergewicht infolge von Körperfett. Werden darüber hinaus bei einer Blut- und Urinuntersuchung zwei weitere Symptome, etwa eine Fettanomalie, Bluthochdruck oder hohe Blutzuckerwerte festgestellt, so führt dies zur Diagnose des „metabolischen Syndroms“, das unbehandelt zu Zivilisationskrankheiten wie z.B. Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes oder Übergewicht führen kann.

Warum ist das Metabolische Syndrom gefährlich? Bei den drei häufigsten Todesursachen in Japan, nämlich Krebs, Herzerkrankungen und Schlaganfällen, ist bei den beiden Letzteren die Arterienverkalkung die wichtigste Ursache. Nun ist bekannt, dass beim Vorhandensein des Metabolischen Syndroms das Riskio der Arterienverkalkung außerordentlich groß ist. Voranschreitende Arterienverkalkung aber führt zum so

genannten „tödlichen Quartett“ hin, nämlich Übergewicht infolge des Fetts der inneren Organe, Diabetes, Bluthochdruck sowie hohe Blutfettwerte, die wiederum die Ursachen für plötzliche Herzerkrankungen sowie Schlaganfälle sind. Personen, bei denen im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung das Metabolische Syndrom diagnostiziert wurde, erhalten je nach Lebensalter sowie Fortschrittsstadium entweder entsprechende „Informationen zur Verfügung gestellt“, eine „Motivationsunterstützung“ oder „aktive Unterstützung“. Konkret werden beim „Zur-Verfügung-Stellen von Informationen“ Informationen angeboten, die das Bewusstsein für die große Bedeutung einer gesunden Lebensführung fördern sollen. Bei der „Motivationsunterstützung“ wird unter Anleitung eines Arztes bzw. Therapeuten ein Aktionsplan für eine Änderung der Lebensführung erstellt, dessen Resultate dann bewertet werden, während bei der „aktiven Unterstützung“ ein weiterer Aktionsplan sowie dessen Bewertung über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten anstehen. Schätzungen des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales zufolge ist der Anteil der Personen, bei denen der starke Verdacht auf ein Metabolisches Syndrom besteht, bzw. derjenigen, die als Anwärter dafür gelten, in Japan sowohl bei Männern als auch bei Frauen ab 40 Jahren sehr hoch. Bei den Männern ist es jeder Zweite und bei den Frauen immerhin jede Fünfte. Das Ministerium hat sich daher das Ziel gesetzt, den Anteil dieser Personen bis 2015 um 25% zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Krankenversicherungsträger, die grundsätzlich mit der Durchführung der genannten Untersuchungen und gesundheitsfördernden Maßnahmen betraut sind, mit Geldbußen belegt, wenn sie unterdurchschnittlich wenige Personen mit diesem Syndrom diagnostizieren oder wenn ihre gesundheitsfördernden Maßnahmen eher geringe Resultate zeitigen. Umgekehrt können Krankenversicherungsträger, die sich vorbildlich engagieren und mit Blick auf das Erreichen des genannten Ziels überdurchschnittliche Werte erzielen, finanziell entlastet werden. Diese Geldbußen bzw. Entlastungen werden im Rahmen der ab 2013 vorgesehenen Ausgleichszahlungen unter den Krankenversicherungen erfolgen.

Zwar werden in Japan seit langem u.a. von Kommunen, Arbeitgebern und Krankenversicherungsträgern Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und -förderung ergriffen, um die Lebensqualität der Menschen während ihrer ganzen Lebensspanne zu erhalten und zu verbessern, jedoch standen dabei bislang eher die Früherkennung sowie frühzeitige Behandlung bestimmter Krankheiten im Mittelpunkt. In den letzten Jahren hat jedoch der Begriff „Metabo“ (eine für die japanische Sprache typische Verkürzung eines Begriffs, der seinen Ursprung im Ausland hat) als Vorstufe für die so genannten Zivilisationskrankheiten zunehmend Einzug ins Bewusstsein der Menschen gehalten, so dass die Schwerpunkte bei den Gesundheitsuntersuchungen nunmehr auf den Fettanteil der inneren Organe und die Vorbeugung gegen Zivilisationskrankheiten, also auf ein frühzeitiges Eingreifen und Handeln, gerichtet sind. Zivilisationskrankheiten sind die Ursache für rund 60% aller Todesfälle in Japan und die Kosten, die sie verursachen, machen etwa 30% der Gesamtkosten im Gesundheitsbereich aus. Durch eine mittel- und langfristige Verringerung der Zahl der Patienten, die an Zivilisationskrankheiten leiden, wird nicht allein die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger erhalten und verbessert, sondern auch eine Verbesserung der Kostensituation im Gesundheitsbereich ermöglicht.

Das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales engagiert sich zudem über regierungsnahe Institutionen sowie Einrichtungen der Privatwirtschaft dahingehend, über diesen Themenkomplex aufzuklären, um so das Bewusstsein jedes einzelnen Menschen entsprechend zu schärfen. Auch die Medien haben diesem neuen Ansatz verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet und entsprechende Programminhalte in großer Zahl erstellt und ausgestrahlt. Dadurch hatten sie ebenfalls Anteil an der Verbreitung des Begriffs Metabolisches Syndrom. Inzwischen ist dieser Begriff in Japan allgemein bekannt. 2006 gehörte er zu den zehn Begriffen, die für das „Wort des Jahres“ nominiert wurden. Mittlerweile kann man ihn oft in einem ganz normalen Gespräch hören, wie z.B.: „In letzter Zeit fühle ich mich irgendwie metabolisch … ich sollte mich wohl mehr bewegen.“ Womöglich ist dies auch Ausdruck eines gestiegenen Gesundheitsbewusstseins der Menschen in Japan.

 

Metabolisches Syndrom 

 


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