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Neues aus Japan Nr.66 Mai 2010

Das Gipfeltreffen zur nuklearen Sicherheit: verstärkter Kampf gegen nuklearen Terrorismus

Am 12. und 13. April 2010 fand in der amerikanischen Hauptstadt Washington das Gipfeltreffen zur nuklearen Sicherheit statt. Dieser Gipfel wurde auf Vorschlag von US-Präsident Obama einberufen, um auf die Bedrohung durch nuklearen Terrorismus zu reagieren. Im Rahmen dieser Zusammenkunft stellte auch Japan in seiner Erklärung zur nuklearen Sicherheit (Link zur Webseite der Botschaft von Japan) seine Strategien und sein Engagement auf diesem Gebiet vor. Dieser Beitrag befasst sich mit der Bedeutung dieser Veranstaltung für die internationale Gemeinschaft sowie auch mit dem Begriff nukleare Sicherheit und dem Engagement der Staatengemeinschaft.

 

Eine Premiere in der Geschichte: der Gipfel zur nuklearen Sicherheit

„(Nuklearer Terrorismus) ist eine der drängendsten und zudem größten Bedrohungen für die weltweite Sicherheit.“ – In seiner Prager Rede im April 2009 beschrieb US-Präsident Obama die Bedrohung durch nuklearen Terrorismus, der sich die internationale Gemeinschaft gegenübersieht, mit diesen nachdrücklichen Worten. Um eine Welt ohne Kernwaffen anzustreben, schlug er zusammen mit dem Ausbau der Kontrolle spaltbaren Materials, der Zerstörung des nuklearen Schwarzen Marktes sowie der Verbesserung des Rahmenwerks zur internationalen Kooperation auch die Veranstaltung eines Gipfels zur nuklearen Sicherheit vor. Dass nun ein hochrangiges Gipfeltreffen zu einem so außerordentlich fachspezifischen und technischen Thema wie „nukleare Sicherheit“ stattfand, ist eine große Ausnahme. Dies allein zeigt bereits, welch große Aufgabe die Bedrohung durch nuklearen Terrorismus mittlerweile für die Staatengemeinschaft ist.

 

Hatoyama und Präsident Obama beim japanisch-amerikanischen Gipfeltreffen

 

Wie sieht die Bedrohung durch nuklearen Terrorismus konkret aus?

Bevor man sich näher mit dem Begriff „Bedrohung durch nuklearen Terrorismus“ befasst, sollte zunächst geklärt werden, was damit überhaupt konkret gemeint ist. Die Internationale Atom-Energieorganisation (IAEA) geht von insgesamt vier möglichen Szenarien eines nuklearen Terrorismus aus: (1) der Diebstahl von Kernwaffen, (2) der Diebstahl von spaltbarem Material und die Herstellung einer nuklearen Sprengvorrichtung, (3) der Diebstahl radioaktiver Materialien und die Herstellung einer sogenannten „schmutzigen Bombe“ sowie (4) die Sabotage oder Zerstörung von Kernkraftwerken oder Schiffen mit nuklearer Fracht. Selbstverständlich werden insbesondere Kernwaffen, aber auch die radioaktiven Materialen in Kernkraftwerken oder zivilen Forschungseinrichtungen stets unter strengster Aufsicht verwahrt; allerdings lässt sich nicht völlig ausschließen, dass sie auf irgendeine Weise doch einmal in die Hände von Terroristen gelangen. Die Auswirkungen, die ein nuklearer Terroranschlag hätte, wären sehr viel größer als andere terroristische Angriffe. Sollte es wirklich einmal zu einem solchen Anschlag kommen, hätte dies kaum vorstellbare Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft.

 

Szenarien für nuklearen Terrorismus laut IAEA

 

Große Bedeutung der nuklearen Sicherheit

Damit solche terroristischen Anschläge niemals Realität werden, ist es äußerst wichtig, im Voraus alle erdenklichen Gegenmaßnahmen zu treffen. Diese Überlegungen werden mit dem Begriff „nukleare Sicherheit“ bezeichnet oder mit anderen Worten: „Maßnahmen gegen nuklearen Terrorismus“. Der Begriff nukleare Sicherheit beinhaltet ein breites Spektrum. Nach der IAEA gehören zum Begriff der „nuklearen Sicherheit“, dass man illegale Aktivitäten wie Diebstahl von nuklearen oder radioaktiven Materialien, Sabotage- oder Zerstörungshandlungen, den illegalen Zugriff (z.B. unbefugtes Betreten von nuklearen Einrichtungen) oder illegalen Transfer (etwa Verkauf oder Weitergabe) verhindert sowie dass man überprüft, ob solche illegalen Aktivitäten in der Realität stattfinden, und dass man angemessene Gegenmaßnahmen trifft für den Fall, dass dies tatsächlich passiert. Die entsprechenden Überlegungen gewinnen in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung.

 

Gefahr eines nuklearen Terrorismus seit der Ära des Kalten Kriegs

Allerdings ist die Bedrohung durch nuklearen Terrorismus keineswegs erst seit ein paar Jahren immanent. Vielmehr existiert sie bereits seit der Ära des Kalten Kriegs, als die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei ideologisch gegensätzliche Lager unter Führung der Vereinigten Staaten bzw. der Sowjetunion gespalten war. Die große Bedeutung dieser Bedrohung wurde allerdings erst nach dem Ende des Kalten Krieges 1991 allgemein erkannt, als mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion weltweit die Befürchtungen zunahmen, dass die in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion verbliebenen Kernwaffen und nuklearen Materialien entwendet werden. Zehn Jahre später gab es in den Vereinigten Staaten die Terroranschläge vom 11. September 2001, durch welche die „Bedrohung des nuklearen Terrorismus“ noch einmal an Gewicht gewann. In den letzten Jahren ist zudem mit Blick auf die globale Erwärmung oder Fragen der Energieversorgung weltweit ein Boom in Bezug auf die Kernkraft zu beobachten, so dass bereits von einer „Renaissance der Kernenergie“ gesprochen wird. Diese Entwicklung führt andererseits dazu, dass die Menge des Nuklearmaterials sowie die Zahl der nuklearen Einrichtungen, die das Ziel von Terroranschlägen werden könnten, weltweit zunimmt. Daher ist ein weiterer Ausbau entsprechender Gegenmaßnahmen dringend erforderlich.

 

Stärkung der nuklearen Sicherheit (1): Engagement seit der Ära des Kalten Kriegs

Um der Bedrohung des nuklearen Terrorismus entgegenzutreten, wurde als erstes Rahmenwerk für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit 1979 das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial verabschiedet. Dieses Übereinkommen hat die Verhütung bzw. Bestrafung der illegalen Aneignung sowie Nutzung von nuklearen Materialen zum Ziel und legt die verpflichtenden Maßnahmen zum Schutz derartiger Materialien während des internationalen Transports fest. 2005 wurde das Übereinkommen erweitert: Es bestimmt nun nicht allein den Schutz während des internationalen Transports, sondern darüber hinaus auch die Nutzung, Lagerung sowie den Transport von Nuklearmaterial im Inland sowie den Schutz nuklearer Einrichtungen. Zudem erstellt die IAEA seit 1975 u.a. Richtlinien über die Art und Weise des Schutzes von nuklearen Materialien. Um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wie z.B. Kernwaffen zu verhindern, riefen die Vereinigten Staaten 1993 das Programm für eine Kooperative Reduzierung der Bedrohung (engl. Cooperative Threat Reduction, CTR) ins Leben. Dieses Programm spielte bei der sicheren Kontrolle bzw. Verschrottung der auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion verbliebenen Kernwaffen eine große Rolle. Darüber hinaus wurde 1994 mit finanzieller Unterstützung u.a. der Vereinigten Staaten und Japans das International Science and Technology Centre (ITSC) in Moskau gegründet, um zu verhindern, dass das Wissen und die Kenntnisse von Forschern und Technikern auf dem Gebiet der Nukleartechnik, die infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion ihre Arbeit verloren, in Länder, die eine Entwicklung von Kernwaffen anstreben bzw. in die Hände von Terroristen gelangen.

 

Internationales Engagement zur Stärkung der nuklearen Sicherheit

 

Stärkung der nuklearen Sicherheit (2): Internationales Engagement seit dem 11. September

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten wurde das Engagement zur Stärkung der nuklearen Sicherheit noch einmal verstärkt. 2002 erstellte die IAEA einen Aktionsplan zur Unterstützung von Maßnahmen zur Abwehr von nuklearem Terrorismus und rief zugleich den Fonds für nukleare Sicherheit (NSF) ins Leben. Die Vereinigten Staaten verkündeten 2004 die Globale Initiative zur Reduzierung der Bedrohung (GTRI), und es wurde damit begonnen, das während des Kalten Krieges von den USA und Russland verschiedenen Staaten zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellte hochangereicherte Uran und andere Materialien wieder einzusammeln und zu sichern. 2005 wurde das Übereinkommen zur Verhinderung des nuklearen Terrorismus verabschiedet (2007 in Kraft getreten), mit dem u.a. der Besitz und die Verwendung von radioaktiven Materialien und nuklearen Sprengvorrichtungen als strafbare Handlung verboten wurde. 2006 verkündeten die Präsidenten der USA und Russlands schließlich die Globale Initiative (GI) zur Bekämpfung des nuklearen Terrorismus. Die Staaten, die sich an dieser Initiative beteiligen (Stand im März 2010: 77 Staaten) führen praktische Übungen sowie Seminare u.a. durch, die sich damit befassen, was im Falle eines tatsächlichen nuklearen Terroranschlags unternommen werden muss. Auf diese Weise sollen die Fähigkeiten zur Bekämpfung des nuklearen Terrorismus verbessert werden.

 

Stärkung der nuklearen Sicherheit (3): Resolutionen des VN-Sicherheitsrates

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete 2004 die Resolution 1540, mit der alle Mitgliedsstaaten der VN aufgefordert wurden, rechtliche Schritte zu ergreifen, um die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen an Terroristen u.a. unter Verbot zu stellen sowie ein System strenger Exportkontrollen zu schaffen. Darüber hinaus verabschiedete der Sicherheitsrat 2009 die Resolution 1887 (Resolution zur nuklearen Nichtverbreitung und Abrüstung), in der der großen Besorgnis angesichts der Bedrohung durch nuklearen Terrorismus Ausdruck verliehen wurde und in der alle Staaten aufgefordert wurden, effektive Maßnahmen zu ergreifen, damit nukleare Materialien sowie technische Unterstützung in diesem Bereich nicht von Terroristen genutzt werden können. Beim Gipfeltreffen zur nuklearen Sicherheit im April 2010 standen diese Punkte ebenfalls auf der Agenda.

 

Gipfeltreffens des Sicherheitsrates zur nuklearen Nichtverbreitung und Abrüstung im September 2009

 

Japans Erfahrungen der ganzen Welt mitteilen

Japan hat nach dem Zweiten Weltkrieg, basierend auf dem Grundlegenden Gesetz über Kernenergie von 1955, die Nutzung der Kernenergie auf friedliche Zwecke beschränkt und sich nachdrücklich für den Ausbau der Sicherheit seiner Kernenergie-Einrichtungen sowie für den verstärkten Schutz der nuklearen Materialien eingesetzt. Auch wurden die Sicherheitsmaßnahmen der IAEA in Bezug auf Einrichtungen im Bereich der Kernenergie aktiv aufgenommen und umgesetzt, so dass bezüglich der friedlichen Nutzung der Kernenergie eine hohe Transparenz gewährleistet ist. Beim G8-Gipfel in Toyako auf Hokkaido verkündete Japan drei grundlegende Prinzipien zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, die sogenannten 3S (Safeguards, Safety, Security), die auch in die gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs aufgenommen wurden. Japan leistet zudem einen finanziellen Beitrag zum Fonds für nukleare Sicherheit der IAEA und engagiert sich insbesondere auch im Bereich der Ausbildung der humanen Ressourcen in Asien (z.B. Messen und Kontrolle nuklearer Materialien). Im Januar 2010 fand in Tokyo in Zusammenarbeit mit der IAEA die „Internationale Konferenz zur Stärkung der nuklearen Sicherheit in den asiatischen Ländern“ statt. Nach einer ersten Konferenz im November 2006 war dies bereits die zweite Veranstaltung dieser Art in Japan.

 

3S für die friedliche Nutzung der Kernenergie

 

Für eine Welt ohne Kernwaffen

Am „Gipfeltreffen zur nuklearen Sicherheit“ nahmen u.a. die Staats- und Regierungschefs von 47 Staaten teil, die über eigene Kernkraftwerke verfügen, den Bau eigener Kernkraftwerke planen oder die im Besitz von Kernwaffen sind. Darüber hinaus waren auch die Europäische Union, die Vereinten Nationen sowie die IAEA vertreten. Zu den Teilnehmern zählten des Weiteren auch Indien, Pakistan und Israel, die den Nichtverbreitungsvertrag (engl. NPT) nicht unterzeichnet haben. Ihrer Teilnahme kommt daher besondere Bedeutung zu. Bei diesem Gipfel wurde über die Stärkung des bereits bestehenden internationalen Rahmens für nukleare Sicherheit diskutiert. Zudem war ein Dokument der Staats- und Regierungschefs geplant, in dem der politische Wille der Teilnehmerstaaten zusammengefasst wird. 2010 jährt sich das Inkrafttreten des Nichtverbreitungsvertrags (NVV) zum 40. Mal. Im Anschluss an den Gipfel über nukleare Sicherheit wird im Mai am Sitz der VN in New York die NVV-Überprüfungskonferenz stattfinden. Es sieht daher so aus, als schicke sich die Staatengemeinschaft derzeit an, einen neuen Schritt in Richtung einer „Welt ohne Kernwaffen“ zu beschreiten.

 

Anmerkung:
Der vorliegende Beitrag erschien am 01. 04. 2010 als 56. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ auf der Webseite des Außenministeriums von Japan. Er wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt und leicht überarbeitet.

 

 


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