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Neues aus Japan Nr.70 September 2010

Filme aus Japan

Summer Wars

(Japan, 2009, 114 Minuten)

Auch die diesjährige Berlinale hatte uns wieder zahlreiche interessante und durchaus kontrovers diskutierte japanische Filme beschert, von denen es einer nun regulär in unsere Kinos geschafft hat, was mich ausgesprochen freut. „Summer Wars“ ist der zahlreich prämierte Animationsfilm des jungen Regisseurs Mamoru Hosoda, der sich auch bei uns bereits mit dem Streifen „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ (2006) einen Namen gemacht hat.

Die Geschichte ist in diesem Fall nicht schnell erzählt, denn sie ist komplex und verlinkt geschickt zwei Parallelwelten – die reale des 17jährigen Schülers Kenji KOISO mit all den üblichen postpubertären Problemen, wie Liebeskummer, Jobben und Langeweile – und das digitale Universum namens Oz. Summer WarsOz ist ein Internet-Netzwerk wie Facebook oder Second Life, in dem die Menschen mittels selbstgeschaffener Avatare ein zweites – bunteres? interessanteres? – Leben leben. Dort wird geshoppt, werden Beziehungen geknüpft, Wettkämpfe ausgetragen – bis dieses Netzwerk außer Kontrolle gerät, die Avatare sich ihrer selbst bewusst werden und schlussendlich die Welt in ihrer konventionellen, analogen Form mit dem Untergang bedrohen. Das klingt jetzt ganz und gar nach dem Szenario von „Terminator“, nur dass es nicht Skynet ist, finster und bedrohlich, das uns den Garaus machen will, sondern eine bonbonfarbene Welt voller Avatare, deren Bösewicht sich provozierender Weise „Ai“ nennt. Ein Wortspiel, das in der synchronisierten Fassung leider auf der Strecke bleibt – heißt „ai“ im japanischen doch Liebe und ist im englischen gleichzeitig das Kürzel für „artificial intelligence“, künstliche Intelligenz. Wir müssen somit in der deutschen Fassung mit „Love Maschine“ vorlieb nehmen, was der Spannung jedoch keinen Abbruch tut.

Kenji muss auf dem Landsitz der Großfamilie seiner Angebeteten Natsuki SANADA erfahren, dass er unfreiwillig für das Chaos in „Oz“ verantwortlich ist, da er ein Rätsel löste, das seinerseits eine Kettenreaktion initiierte, in Folge dessen sich „Ai“ nun alle Avatare von Oz einverleibt und ein Meteorit die Erde zu zerschmettern droht. Jetzt ist guter Rat teuer. Kenji, bislang ein Otaku mit nicht eben gesellschaftsfähigen Manieren, muss über sich hinauswachsen, um sein Mädchen, deren Familie, das Land und schließlich die gesamte uns umgebende Welt zu retten. Das gelingt ihm mit Hilfe von Natsukis Familie, die altem Samurai-Adel mit all seinem Stolz und seinen Überheblichkeiten entstammt und nun auf die bewährten Werte wie Zusammenhalt, Loyalität und Freundschaft zurückgreifen muss, um zu überleben…

„Dies ist eine Geschichte über eine Großfamilie, die sich plötzlich der Herausforderung einer globalen Krise des Internets der Zukunft gegenüber sieht. Familienbande sind die stärksten Netzwerke, egal wie hochentwickelt die Hightech-Netzwerke des Internets sind. Ich wollte einen Film machen, dessen Geschichte bei einer großen Bandbreite von Menschen Gefallen findet, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Ich wollte einen Film machen, den man als Abenteuer mit der ganzen Familie genießen kann, einen erfrischenden Film, genau richtig für den Kinosommer.“ (Mamoru Hosoda)

Das ist dem Regisseur in jeder Hinsicht gelungen. „Summer Wars“ ist entspannte und gut durchdachte Unterhaltung, verpackt in bester Anime-Manier. Yoshiyuki SADAMOTO („Neon Genesis Evangelion“) ist zuständig für die wunderbaren Charaktere und Youji TAKESHIGE (Ghibli Studio) hat das Hochland, den Himmel und das altertümlich traditionelle Anwesen der Sanadas in höchster Meisterschaft gestaltet. Keine Computeranimation, sondern mit Hand gezeichnet! Eine Hommage an den Zeichentrickfilm. Ganz und gar analog.

 

Summer Wars

 

Fazit:
Wunderbar komplexe Allegorie auf die Gefahren, die das Internet birgt und dezenter Hinweis auf das, was wirklich zählt: das wahre Leben.

 

 

 

*J.G. (Diese Rezension stellt eine individuelle Meinung dar und vertritt nicht die offizielle Haltung der Botschaft von Japan)

 


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