
Die Aufgaben des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
Im April 2010 nahm Außenminister Okada am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York an einer öffentlichen Diskussionsrunde zum Thema „Friedenskonsolidierung nach Konflikten“ teil, die von Japan als Land, das damals den Vorsitz im Sicherheitsrat innehatte, veranstaltet wurde. Damit hatte erstmals ein Außenminister Japans die Rolle des Vorsitzenden des Sicherheitsrates inne. Angesichts des Wandels der internationalen Situation in den letzten Jahren nehmen die Aufgaben und die Bedeutung dieses Organs immer mehr zu. In diesem Beitrag wird u.a. erläutert, welche Aufgaben der Sicherheitsrat erfüllt, welche aktuellen Entwicklungen es im Zusammenhang mit diesem Gremium gibt und welchen Beitrag Japan hierbei leistet.
„Friedenskonsolidierung nach Konflikten“ – eine öffentliche Diskussionsrunde
Von 2009 bis 2010 hat Japan zwei Jahre lang einen Sitz als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der VN inne. Es ist bereits das 10. Mal, dass Japan diese Funktion übernimmt. Am 16. April 2010 veranstaltete Japan eine öffentliche Diskussionsveranstaltung des Sicherheitsrates zum Thema „Friedenskonsolidierung nach Konflikten“. Auf diese Weise nutzte Japan in vollem Umfang die Gelegenheit zur Initiative, die sich ihm dadurch bot, dass es für den Monat April den Vorsitz in diesem Gremium innehatte. Um Japans Friedenspolitik vorzustellen, fungierte Außenminister Okada im Rahmen dieser Veranstaltung persönlich als Vorsitzender, und er stellte die Auffassungen Japans zur Konsolidierung des Friedens sowie das konkrete Engagement unseres Landes in diesem Bereich vor. An solchen Diskussion können neben den Mitgliedern des Sicherheitsrates auch andere Länder und Organisationen teilnehmen. Sie bieten somit ein wertvolles Forum dafür, der Staatengemeinschaft die Ansichten zu einem bestimmten Thema zu präsentieren. An der von Japan veranstalteten Diskussionsveranstaltung nahmen Vertreter der Regierungen von Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Osttimor sowie Sierra Leone teil, die ihre jeweiligen eigenen Erfahrungen einbrachten. Auf diese Weise fand eine umfassende Diskussion über Friedenskonsolidierung statt, an deren Schluss die Verabschiedung einer Erklärung des Vorsitzenden des Sicherheitsrates stand. In dieser Erklärung wurde auf die Notwendigkeit für dieses Gremium hingewiesen, eine umfassende Strategie für die Friedenskonsolidierung zu erstellen, die u.a. die Bereiche Politik, Sicherheit und Entwicklung umfasst. Zugleich wurde die große Bedeutung hervorgehoben, die der Achtung der Ownership der beteiligten Staaten sowie der Reform des Sicherheitsbereichs zukommt. Von Seiten der teilnehmenden Staaten und Organisationen waren zahlreiche Stimmen zu vernehmen, die diese Initiative Japans für die Konsolidierung des Friedens in hohem Maße würdigten.

Was ist eigentlich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen?
Was für ein Organ ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eigentlich? Laut Charta der VN wird der Sicherheitsrat von den Mitgliedsstaaten mit der wichtigen Aufgabe der Wahrung des Friedens und der Sicherheit innerhalb der Staatengemeinschaft betraut, und die Mitgliedsstaaten müssen die Resolutionen dieses Gremiums annehmen und umsetzen. Zusammen mit dem Wirtschafts- und Sozialrat u.a. gilt der Sicherheitsrat als eines der sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen. Die Mitglieder des Sicherheitsrates setzten sich aus den fünf ständigen Mitgliedern (Vereinigte Staaten, Großbritannien, Frankreich, Russland und China) sowie zehn nichtständigen Mitgliedern zusammen. (Die Hälfte der nichtständigen Mitglieder wird jährlich jeweils für eine Zweijahresperiode gewählt; eine unmittelbare Wiederwahl ist nicht möglich.) Innerhalb der 192 Mitgliedsstaaten der VN sind somit insgesamt 15 Staaten mit der Willensbildung (u.a. mittels der Verabschiedung von Resolutionen) in Bezug auf den Frieden und die Sicherheit in der ganzen Welt betraut. Damit hat dieses Organ eine außerordentlich schwere Verantwortung inne. Bislang hat der Sicherheitsrat über 1900 verschiedene Resolutionen verabschiedet.
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Oft Kulisse in den Nachrichten: Der Sitzungssaal des Sicherheitsrates
Der Sitzungssaal des Sicherheitsrates im Hauptsitz der VN in New York wurde von dem norwegischen Architekten Arnstein Arneberg entworfen und ist, zusammen dem für den Bau benötigten Marmor, ein Geschenk der Regierung Norwegens. Das große Wandgemälde an der Stirnseite des Saales ist ein Werk des norwegischen Malers Per Krohg. Nach dem Vorbild nordeuropäischer Sagen zeigt es den Kampf für eine Welt ohne Streit und Krieg. Die Länder, die den Vorsitz im Sicherheitsrat innehaben, wechseln in alphabetischer Reihenfolge der englischsprachigen Bezeichnung ihres Ländernamens monatlich. Bei den offiziellen Zusammenkünften sitzt das Land, das gerade den Vorsitz führt, in der Mitte des hufeisenförmigen Tisches, während die übrigen Mitgliedsstaaten in alphabetischer Reihenfolge im Urzeigersinn Platz nehmen. Infolge des monatlichen Wechsels des Vorsitzes rücken die Länder somit jeden Monat um einen Platz weiter nach links. Diesem Turnus entsprechend haben die nichtständigen Mitgliedsstaaten während ihrer zweijährigen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat höchstens zwei Mal Gelegenheit, den Vorsitz dieses Organs zu übernehmen. Aus diesem Grund setzen sich alle Mitgliedsstaaten dafür ein, diese Gelegenheit in größtmöglichem Maße für eigene Initiativen zu nutzen.
„Vetorecht“ der ständigen Mitgliedsstaaten
Die Geschichte des Sicherheitsrates reicht zurück bis zur Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945, jedoch kommt der Aufgabe dieses Organs innerhalb der internationalen Gemeinschaft die große Bedeutung, die sie heute innehat, erst seit den 1990er Jahren, also seit dem Ende des Kalten Krieges zu. Der Sicherheitsrat nahm seine Funktionen ursprünglich mit den Alliierten im Zweiten Weltkrieg (Vereinigte Staaten, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion und China) als „ständige Mitgliedsstaaten“ auf. Während der Ära des Kalten Krieges bestimmte der Gegensatz zwischen den beiden von den USA bzw. von der Sowjetunion geführten Lagern die Sicherheitsstrukturen innerhalb der Staatengemeinschaft, so dass der Sicherheitsrat seine Funktionen nicht wie eigentlich vorgesehen ausüben konnte. Darüber hinaus bestimmt die Charta der VN, dass Resolutionen nicht zustande kommen, wenn mindestens einer der ständigen Mitgliedsstaaten dieses Organs, der mit einem „Vetorecht“ ausgestattet ist, seine Ablehnung bekundet (mit Ausnahme verfahrenstechnischer Entscheidungen). Aus diesem Grund gab es während des Kalten Krieges auch Vorhaben, zu denen wegen der Ausübung dieses „Vetorechts“ keine Resolution verabschiedet wurde. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erfuhr diese Situation jedoch einen umfassenden Wandel, und der Sicherheitsrat war nun in der Lage, eine größere Rolle für den Frieden und die Sicherheit der Staatengemeinschaft zu spielen.
Aufgabe des Sicherheitsrates in der Welt nach dem Kalten Krieg:
(1) Friedenskonsolidierung
Nach dem Ende des Kalten Krieges erlebte die internationale Gemeinschaft in verschiedenen Bereichen einen tiefgreifenden Wandel. Dabei waren mit Blick auf die Überlegungen für die Sicherheit in der Welt die Veränderungen bei der „Form von Konflikten“ besonders wichtig. Während zuvor Konflikte vor allem zwischen Staaten bzw. Regionen aufgetreten waren, traten diese nach dem Kalten Krieg häufig in einem einzigen Land auf, wobei verschiedene Ethnien, Rassenzugehörigkeit oder Religionen die Ursachen waren. Es wurde zudem darauf hingewiesen, dass auch, nachdem die Konflikte einmal nachgelassen hatten, diese jederzeit wieder ausbrechen konnten. Der Sicherheitsrat hatte seit der Ära des Kalten Krieges durch die Schaffung friedenserhaltender Maßnahmen der Vereinten Nationen (PKO) Beobachter für einen Waffenstillstand entsandt oder sich für die Entwaffnung der streitenden Parteien engagiert. Man wurde sich aber immer mehr bewusst, dass, um der gewandelten internationalen Situation gerecht zu werden, die grundlegenden Aufgaben, die hinter den Konflikten standen, ein lückenloses Engagement in einer Vielzahl von Bereichen, etwa Armut und Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen, Bildung, Flüchtlingshilfe oder die Gestaltung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur erfordern. Dies sind die Überlegungen mit Blick auf die Art von „Friedenskonsolidierung“, wie sie der Sicherheitsrat im 21. Jh. unternehmen muss, und dies war ein wichtiger Grund dafür, dass Japan im April 2010 das Thema „Friedenskonsolidierung nach Konflikten“ im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung des Sicherheitsrates behandelte. Friedenskonsolidierung ist eine der Aufgaben, die nicht nur die Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates, sondern die internationale Gemeinschaft insgesamt diskutieren und in Angriff nehmen müssen.
Aufgabe des Sicherheitsrates in der Welt nach dem Kalten Krieg:
(2) Kampf gegen Terrorismus und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten befasst sich der Sicherheitsrat zudem mit neuen Aufgaben, denen sich die Staatengemeinschaft gegenüber sieht, etwa mit der Bedrohung durch den Terrorismus, die durch die Ereignisse vom 11. 09. plötzlich bittere Realität geworden ist, sowie auch mit der Sorge um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, z.B. angesichts der Nukleartests und Starts von ballistischen Raketen durch Nordkorea. So wurden beispielsweise durch Resolutionen des Sicherheitsrates Sanktionen in Kraft gesetzt, die den Transfer von Personen, die in internationale Terroraktivitäten involviert sind, unterbinden oder die Finanzmittel einfrieren. Alle Mitgliedsstaaten sind angehalten, diese Resolutionen gewissenhaft umzusetzen.
Notwendigkeit der eingeforderten Reform des Sicherheitsrates
Allerdings erheben sich mit Blick auf den derzeitigen Zustand des Sicherheitsrates, der als Organ in den letzten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen hat, Stimmen, die gerade auch mit Blick auf den repräsentativen Charakter und die Effizienz dieses Gremiums seine Reform fordern. Seit der Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945 hat sich die Zahl der Mitgliedsstaaten von anfangs 51 Länder fast vervierfacht und beträgt nun 192 Länder. Dagegen wurde die Zahl der nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gerade einmal von 6 auf 10 erhöht, und als ständige Mitglieder fungieren nach wie vor die fünf Staaten, die dies bereits bei der Gründung taten. Dies hat dazu geführt, dass nicht nur der „repräsentative Charakter“ in Bezug auf die regionale Herkunft der Länder, sondern auch die „Effizienz“ in Bezug auf die Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrates durch die Mitgliedsstaaten nicht länger aufrechterhalten werden konnte. Aus diesem Grund hat die VN-Generalversammlung 1993 eine Arbeitsgruppe (OEWG) zur Reform des Sicherheitsrates eingerichtet und den Beginn der eigentlichen Diskussion hinsichtlich dieser Reform eingeleitet. Auch wenn z.B. in Bezug auf die Zahl der Mitglieder dieses Organs sowie mit Blick auf den regionalen Schlüssel unterschiedliche Ansichten bestehen, findet derzeit im Rahmen der Verhandlungen auf Regierungsebene, die im Februar letzten Jahres begannen, eine intensive Diskussion für eine rasche Umsetzung der Reform statt.

Japans internationaler Beitrag und Streben nach einer ständigen Mitgliedschaft
Japan hat bislang insgesamt zehn Mal einen Sitz als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates eingenommen (damit belegt Japan zusammen mit Brasilien den Spitzenplatz). Dies kann als Bestätigung des großen internationalen Beitrags unseres Landes für die Sicherheit der Staatengemeinschaft gelten, den Japan u.a. in Bereichen wie Wiederaufbau und Entwicklung von Osttimor und Afghanistan, Unterstützung der Friedenskonsolidierung in Afrika, die nordkoreanische Nuklearfrage oder im Engagement für eine Welt ohne Kernwaffen leistet. Auf der Grundlage der Leistungen einer solchen dem Frieden verpflichteten Außenpolitik strebt Japan eine rasche Mitgliedschaft im Sicherheitsrat als ständiges Mitglied an. Dadurch könnte Japan den Resolutionen dieses Organs eine größere Berechtigung und Vertrauenswürdigkeit verleihen, und zugleich könnte das Land einen noch größeren Beitrag für den Frieden und die Stabilität der Region Asien einschließlich des Umfeldes Japans sowie der Staatengemeinschaft insgesamt leisten.
Übernahme von Verantwortung für Frieden und Sicherheit der internationalen Gemeinschaft
Für die Staatengemeinschaft im 21. Jh. bestehen zahlreiche Aufgaben, für deren Lösung sich alle Staaten mit vereinten Kräften einsetzen müssen, um Frieden und Sicherheit in der Welt als Ganzes zu verwirklichen. Dies sind etwa das Engagement zur Lösung der verschiedenen Konflikte, des Problems der Terrorismus, der Frage der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder der Entwicklung von Kernwaffen. Die internationale Gemeinschaft erwartet vom Sicherheitsrat, dass er seine Aufgaben als ein Organ erfüllt, das seine Entscheidungen mit Blick auf die tatsächliche Situation in der Welt rasch und in angemessener Weise trifft. Japan wird sich auch künftig in einem solchen Sicherheitsrat aktiv dafür einsetzen, damit dieses Gremium einen konstanten Beitrag für den Frieden und die Sicherheit der Staatengemeinschaft leisten kann.
Anmerkung:
Der vorliegende Beitrag erschien am 03. 06. 2010 als 58. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ auf der Webseite des Außenministeriums von Japan. Er wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt.