
Interview mit dem Go-Profi Catalin Taranu (5. Profi-Dan)
Vom 8. bis 10. Oktober fand in der Veranstaltungshalle der Botschaft der 5. Japanische Botschafter-Cup (Go-Turnier) statt, zu dem der Botschafter von Japan, Dr. Takahiro Shinyo, insgesamt 175 Teilnehmer aus dem In- und Ausland begrüßen durfte. Die Go-Spieler kämpften in diesem Jahr erneut in zwei Altersklassen um den Jugendpokal (diesjähriger Sieger: Florian Mönnikes) und um den Wanderpokal (Wu Chuang Pin aus Taiwan). Wie in den Vorjahren wurde auch das diesjährige Turnier wieder vom Go-Verband Berlin in vielfältiger Weise unterstützt.
Als Lehrer wirkte diesmal der rumänische Go-Profi Catalin Taranu (5. professioneller Dan) mit, der 1973 geboren wurde und von 1995 bis 2004 in Japan lebte, um dort das Go-Spiel zu studieren. Taranu lernte als Insei (Schüler) des Nihon Kiin (Verband der professionellen Go-Spieler in Japan) in Nagoya, wo er schließlich den 5. Dan als Profi-Spieler erwarb. Damit zählt er heute zur Spitzengruppe der Go-Spieler weltweit. Seit seiner Rückkehr nach Europa engagiert er sich mit Nachdruck für die Förderung und die Vermittlung des Go-Spiels, u.a. auch an seiner eigenen Go-Schule in in Rumänien. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass rumänische Nachwuchsspieler heute in internationalen Go-Wettbewerben vordere Plätze belegen, noch weit vor deutschen Kindern und Jugendlichen.
Wie kommen in Rumänien die Kinder zum Go? In Deutschland gab es mal eine Hikaru no Go – Welle, als der Manga erschienen ist.
In Rumänien gibt es Hikaru no Go nicht, weder die Bücher noch die Filme. Deutschland hat großes Glück, dass die Bücher dort erschienen sind. Hier bei uns kennen nur wenige Kinder die Geschichte, vorwiegend aus dem Internet. Events wie dieses hier (gemeint ist die Europäische Jugend-Go-Meisterschaft 2010) sind sehr motivierend für die Kinder, hier kommen sie mit Go in Berührung. Sie müssen in einer freundlichen Umgebung stattfinden und eine freundliche Atmosphäre haben, am besten gemischt mit anderen Aktivitäten wie zum Beispiel Origami oder Kalligrafie. Die Kinder müssen Spaß haben und sich wohl fühlen, nicht nur mit Go.
Gibt es Go in den Schulen oder an anderen Orten? Wenn ja, wie wird der Unterricht organisiert?
Go als Unterrichtsfach in der Schule? So etwas haben wir nicht. So etwas haben wir ernsthaft vor, aber das zu erreichen braucht noch viel Zeit. Dafür ist eine gute Organisation nötig. Zuerst müssen gute Leute gefunden werden, die in die Schulen gehen. Sie müssen eine hohe Spielstärke haben und außerdem pädagogische Erfahrung im Umgang mit Kindern. Solche Leute zu finden und dafür zu begeistern ist mein Job.
Gibst du Lektionen für die Kinder?
Damit habe ich in meinem Go-Club in Bukarest begonnen, jedes Wochenende gibt es dort Lektionen. Außerdem gebe ich Unterricht im Internet, auf KGS. Und ich gebe Lektionen auf Veranstaltungen wie dieser hier, so wie eben. Einer meiner Schüler war heute hier, er hat das Ziel Champion zu werden. Der rumänische Go-Verband hat eine gute Organisation, was das Kindertraining angeht. Wir haben ein nationales Juniorteam, es ist in 4 Kategorien unterteilt. Unter 10, unter 12, unter 16 und unter 18. In jeder Gruppe sind jeweils 8 Kinder. Die trainieren ernsthaft nach einem bestimmten Programm. So etwas ist nicht billig, muss finanziert werden.
Gibt es viele Go-Lehrer in Rumänien?
Es gibt Trainings-Camps für Kinder, dort lernt das Juniorteam. Letztes Jahr gab es dort 3 Go-Lehrer, dieses Jahr haben wir erst einen engagieren können.
Wie viele Stunden pro Woche lernen die Kinder Go?
Also im Camp haben sie 6-8h am Tag ernsthaftes Training, danach freies Spiel.
Und wie ist es mit Unterricht für die anderen Kinder, die nicht in diesem Nationalteam sind?
Am Camp und an den Lektionen, die sonst gegeben werden, kann jeder teilnehmen, es gibt dort auch Unterricht und Simultanrunden, an denen jeder teilnehmen kann.
Können sich rumänische Go-Lehrer ihren Lebensunterhalt mit dem Unterricht verdienen?
Für Go-Unterricht Geld zu bekommen ist recht schwer. Das geht am besten noch bei Go-Schulen im Internet. Zum Beispiel hat Burzo (Cornel Burzo 6D) eine große Go-Schule und gibt Internetlektionen. Bei Unterricht von Angesicht zu Angesicht ist das schwer, die Lehrer halten nicht lange durch.
Bekommst du Unterstützung vom Japanischen Go-Verband Nihon Kiin?
Ein wenig, aber meine eigene Situation ist schwierig. Ich mache sehr viel für das Go, besonders bei der Organisation von Events, bekomme aber nicht viel Feedback.
Gibt es von dir Schulungen für die Lehrer, zum Beispiel damit diese ein einheitliches Konzept verwenden?
Ich würde das gern tun, aber das ist sehr schwer zu organisieren. In Deutschland zum Beispiel habe ich schon vor interessierten Leuten Vorträge gehalten, habe Lektionen gegeben wie man unterrichten sollte. Die Motivation der Lehrer ist das wichtigste, daneben eine hohe Spielstärke. Es ist besser, wenn die Schüler von einem Lehrer mit Dan-Niveau die Grundlagen richtig erlernen. Etwas was sich einmal falsch eingeprägt hat, bleibt ein Leben lang bestehen. Das merken wir an uns selbst! Das ist wohl auch ein Problem in Deutschland. Dort unterrichten viele Go, obwohl sie selber nur Kyu-Spieler sind, und werden schnell von ihren Schülern eingeholt. Außerdem müssen sie pädagogische Kenntnisse im Umgang mit Kindern und Jugendlichen haben. Solche Leute sind schwer zu finden.
Bekommen die Go-Lehrer ein Zertifikat, dass sie unterrichten können?
So etwas ist geplant, existiert aber momentan noch nicht.
Welches ist deiner Meinung nach das stärkste europäische Land, was die Nachwuchsarbeit angeht?
Momentan? Ich denke, das sind Rumänien und besonders die Ukraine. Dort ist nach einigen Jahren Nachwuchsarbeit eine breite Masse von starken jungen Spielern herangewachsen. Rumänien ist auf dem Weg dahin. Es gibt auch viele starke Spieler aus England (…) Aber England kann man nicht wirklich zu Europa zählen, denn viele starke Kinder kommen aus Hongkong, sie haben alle einen englischen Pass und zählen damit zu Europa.
In Deutschland gibt es das Problem, dass unzählig viele Kinder das Go-Spiel kennen und auch gerne spielen, aber hier bei der EYGC sind nicht viele vertreten. Die wirklich spielstarken Jugendlichen sind nicht hier, andere Dinge wie Schule sind ihnen wichtiger.
Das ist ein generelles Problem in Deutschland denke ich. Es ist sehr wichtig, die Eltern zu motivieren, ihnen begreiflich zu machen, dass Go nicht nur ein Spiel zum Zeitvertreib ist. Go muss langfristig ein besseres Image bekommen! Go ist eine gute Sache für Kinder, es hilft bei der Entwicklung des Denkens, der logischen Fähigkeiten, der Kreativität. Es wird z.B. zur Behandlung der autistischen Krankheit eingesetzt. Go spielen ist keine Verschwendung von Zeit und Geld!
In Rumänien tun wir viel um das Image von Go zu promoten. Es gibt monatliche Turniere, auf denen die Jugendlichen Titel erringen können. Sie messen sich untereinander, ringen um den Titel des Stärksten. Wir haben engen Kontakt zur Japanischen Botschaft, der japanische Botschafter kommt zu unseren Turnieren. Wir bringen den Kindern nicht nur Go, sondern auch die japanische Kultur näher. Wir geben den Eltern die Botschaft, dass es besser ist, wenn die Kinder in einen Go-Club gehen als wenn sie zu Hause vor dem Fernseher sitzen oder Alkohol trinken, denn Go schult den Geist! Wir bekommen auf diese Weise viel Unterstützung von den Eltern, ich denke, das ist der Schlüssel unseres Erfolgs.
Was kannst du den Kindern empfehlen, um stärker zu werden?
Wenn man schon im Kindesalter Go lernt, hat das den Riesenvorteil, dass der Geist noch offen ist. Wir Erwachsene haben oft zu festgefahrene Wege in unserem Denken. Kinder lernen schnell und leicht, alles was sie brauchen sind wirklich gute Lehrer. Das korrekte Erlernen der Grundlagen ist das Wichtigste, sie behalten diese für den Rest ihres Lebens. Nur mit Lehrern, die selbst Dan-Niveau haben, gelingt das. Ein Nachteil in Europa sind die vielen Low-Level-Lehrer. Sie haben oft einen unausbalancierten aggressiven Stil, sie können zwar spielen, aber sie haben kein Gefühl für die Balance zwischen Geben und Nehmen. Wer richtig stark werden will, benötigt einen guten Lehrer. Nebenbei sollte man Go-Probleme lösen und viel spielen. Nur damit kann man eine Spielstärke von 5 kyu bis 1 dan erreichen. Ab dieser Spielstärke geht es nicht mehr weiter, ohne einen wirklich guten Lehrer.
Was hast du für Träume bezüglich Go?
Ich hoffe auf eine starke Go-Gesellschaft, eine neue Generation starker Spieler, nicht nur in Rumänien, sondern in ganz Europa. Ich glaube, ein Hauptproblem ist die Organisation der einzelnen Aktivitäten. Viele einzelne machen einen guten Job und leisten hervorragende Arbeit, trotzdem hat Europa den Anschluss an die Go-Welt verpasst. Die heranwachsende Generation möchte lernen, sie möchte ein Ziel vor Augen haben. Die Qualifikation zur Weltmeisterschaft kann so ein Ziel sein, oder ein nationaler Titel, oder der Stärkste im Club zu sein.
Das Interview mit Catalin Taranu führte Maria Wohning, langjährige Autorin der Kinderseite der Deutschen Go-Zeitung, die vom Deutschen Go-Bund e.V. herausgegeben wird, in Sibiu, Rumänien, anlässlich der Europäischen Jugend-Go-Meisterschaft im März 2010. Für die Überlassung des Interviewtextes bedankt sich Neues aus Japan bei Anne Trinks vom DGOB.
