
Grußwort von Herrn Botschafter
Dr. Takahiro Shinyo
Sehr verehrte Leserinnen und Leser
von Neues aus Japan,
明けましておめでとうございます。
(Akemashite omedeto gozaimasu.)
Dieses Jahr steht im Zeichen des Drachen. Einer kalenderarischen Abhandlung zufolge, die sich in den Annalen der frühen Han-Dynastie findet, soll sich das Jahr des Drachen durch besonders üppiges Wachstum der ganzen Vegetation auszeichnen. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen ein gutes und gedeihliches Jahr.
Das schwere Erdbeben vom 11. März letzten Jahres stellt zusammen mit der Flutwelle und dem Reaktorunfall eine mehrfache Katastrophe dar, wie sie die internationale Gemeinschaft der Neuzeit bislang noch nie erfahren hat. Unmittelbar nach dieser Katastrophe brachten zahlreiche führende Persönlichkeiten, darunter Bundespräsident Wulff, Bundeskanzlerin Merkel und BDI-Präsident Keitel, sowie auch eine große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland ihre Anteilnahme mit den Menschen in Japan zum Ausdruck. Darüber hinaus fanden überall hierzulande zahlreiche Benefizkonzerte und andere Gedenkveranstaltungen statt, und es kamen viele Spenden für die betroffenen Menschen zusammen. Auch in Japan kennt man eine Redensart, die besagt: „Ein Freund in der Not ist ein wahrer Freund.“ Die Haltung, die die Menschen in Deutschland gegenüber Japan nach dem schweren Erdbeben im Osten des Landes bezeugt haben, entspricht genau dieser Haltung eines wahren Freundes.
Zugleich bildete 2011 das 150-jährige Jubiläum des offiziellen Beginns des Austausches zwischen Japan und Deutschland. Im Januar fand in Anwesenheit von Bundespräsident Wulff in meiner Residenz eine Auftaktveranstaltung statt, und mit Aufführungen des Nô-Theaters nahmen zahlreiche Events ihren Anfang, die von Politik über Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur bis zum Sport reichten und ein breites Spektrum an Aktivitäten vom politischen Dialog bis zum Austausch auf der Ebene der Bürgerinnen und Bürger umfassten. In diesem Zusammenhang besuchte im Juni der Schirmherr der japanischen Seite, Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz, Deutschland. Es war dies der erste Auslandsbesuch eines Mitgliedes des Kaiserhauses nach dem schweren Erdbeben. Und ich hatte durchaus den Eindruck, dass die aufrichtige Botschaft, die dieser Besuch beinhaltete – nämlich die große Wertschätzung der bilateralen Beziehungen durch die japanische Seite – auf deutscher Seite sehr wohl verstanden wurde. Im Oktober kam dann der deutsche Schirmherr, Bundespräsident Wulff, nach Japan. Auch ich war damals zur Betreuung des Herrn Bundespräsidenten für kurze Zeit in meiner Heimat. Es gibt nur wenige Beispiele dafür, dass das Staatsoberhaupt eines Landes mit seinen zahlreichen Aufgaben und Verpflichtungen sich die Zeit nimmt, ein einziges Land gleich sechs Tage lang zu besuchen. Auch hier ist die große Wertschätzung zu erkennen, die Deutschland meinem Land stets zuteil werden lässt. Während seines Besuches reiste Bundespräsident Wulff auch nach Toyoma in der Nähe der Stadt Iwaki in der Präfektur Fukushima. Dort unterhielt er sich lange mit den Einwohnern dieses Katastrophengebiets. Es wurde erneut deutlich, dass er sich eng mit Japan verbunden fühlt und für die Menschen, die jetzt eine schwere Zeit durchmachen, großes Mitgefühl empfindet.
Heute nun tragen Japan und Deutschland als dritt- bzw. viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt eine große Verantwortung, zur Lösung der globalen Probleme beizutragen, etwa bei der nachhaltigen Entwicklung der Weltwirtschaft oder beim Kampf gegen die Erderwärmung. Zudem steht Japan, das sich von den Folgen des Erdbebens erholen und den Wiederaufbau meistern muss, in der Pflicht, seine Wirtschaft umzubauen, sich für die Welt zu öffnen und als Triebkraft für die Weltwirtschaft zu fungieren. Und von Deutschland wird erwartet, dass es bei der Lösung der Eurokrise, die große Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat, Führungsstärke beweist. Sowohl der Wiederaufbau nach dem Erdbeben als auch die Überwindung der Eurokrise erfordern einen langen Atem. Und unsere beiden Länder müssen – wie bisher schon – über eine große geografische Entfernung hinweg als „ferne Gefährten“ Hand in Hand den noch unbekannten Weg in eine „multipolare Welt“ beschreiten. Mit Blick darauf werde ich mich auch in diesem Jahr mit ganzem Einsatz für die weitere Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland einsetzen. Es ist mein großer Wunsch, dass – dem Jahr des Drachen entsprechend – die von der Katastrophe betroffenen Gebiete in der Region Tohoku rasch wieder gedeihen und in üppigem Grün erstrahlen mögen.
Abschließend möchte ich Ihnen noch berichten, dass ich im Dezember letzten Jahres vom „Diplomatischen Magazin“, das hier in Berlin herausgegeben wird, mit dem erstmals verliehenen Preis „Botschafter des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Ebenfalls im Dezember erhielt ich von der Siebold-Gesellschaft in Würzburg die Siebold-Medaille verliehen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle für Ihre Unterstützung danken, die Sie mir stets zuteil werden lassen und die mir bei meiner täglichen Arbeit eine große Hilfe ist.
Dr. Takahiro SHINYO
Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter
von Japan in der Bundesrepublik Deutschland