Persönlichkeiten des Austausches
zwischen
Japan und Deutschland (4):
Wilhelm Heine (1827-1885)
Der Maler und Schriftsteller Wilhelm Heine wurde 1827 in Dresden als Sohn eines Schauspielers geboren. Das ausgesprochen künstlerische Umfeld – Richard Wagner sowie die Brüder Christian Friedrich und Ludwig Tieck zählten zu den Freunden der Familie – prägte Wilhelm Heine nachhaltig. 1843 begann er ein Studium der Architektur bei Gottfried Semper. Jedoch entdeckte er bald sein besonderes malerisches Talent und studierte nun auch Malerei. Zu Studienzwecken hielt er sich 1847/48 in Paris auf; dort erlebte er auch die Revolution vom Februar 1848 mit. Nach der Rückkehr nach Dresden wirkte er zunächst als Theatermaler am Hoftheater. Als es im Zuge der revolutionären Unruhen 1848/49 in Deutschland im Mai 1849 auch in Dresden zu einem Aufstand kam, an dem Richard Wagner und Gottfried Semper an führender Stelle beteiligt waren, schloss sich auch Wilhelm Heine den Revolutionären an. Nach der Niederschlagung des Aufstandes musste er Dresden verlassen und ging wie viele andere deutsche Demokraten über Frankreich nach New York.
In New York gründete er zunächst eine Schule für Malerei und nahm dann auf Vermittlung des Schriftstellers und Archäologen Ephraim Squier 1851/52 an dessen Expedition nach Nicaragua teil, bei der Heine als Illustrator wirkte. Seine Erlebnisse auf dieser Reise veröffentlichte er 1853 in dem Werk „Wanderbilder aus Centralamerika“. Damals bestanden in den Vereinigten Staaten bereits seit längerem Überlegungen, das auf der anderen Seite des Pazifiks gelegene Japan zur Aufgabe seiner Politik der Abschließung gegenüber dem Ausland zu bewegen, die das Land seit mehr als zweihundert Jahren durchführte. Unter anderem auch der sich im Pazifik immer weiter ausbreitende Walfang, den vor allem die Vereinigten Staaten betrieben, machte eine Versorgung der Walfangschiffe auf ihren oft jahrelangen Fahrten notwendig. Hier bot sich nach Meinung der Vereinigten Staaten insbesondere Japan als sicherer Versorgungsposten an. Daneben bestanden noch weitere Gründe wie die Behandlung von Schiffbrüchigen, aber auch ganz grundsätzliche Überlegungen in Bezug auf die Verbreitung der „Zivilisation“. Aus diesen Gründen wurde unter der Leitung von Commodore Matthew C. Perry eine Expedition vorbereitet, die Japan nachdrücklich zur Landesöffnung drängen sollte.
Gleich nach seiner Rückkehr aus Mittelamerika wandte sich Heine an US-Präsident Millard Fillmore und bat ihn, an dieser Reise nach Japan teilnehmen zu dürfen. Zusammen mit einem Fotografen wurde Wilhelm Heine als offizieller Zeichner der Expedition damit betraut, die Illustrationen für den Reisebericht anzufertigen. Nach dem Auslaufen Ende 1852 ging es über den Atlantik und den Indischen Ozean zunächst nach China und den Ryukyu-Inseln weiter Richtung Japan, wo die aus vier Schiffen – darunter zwei Dampffregatten – bestehende Flotte Perrys am 8. Juli 1853 die Bucht von Edo, das heutige Tokyo, erreichte. Nachdem Perry den japanischen Behörden ein Schreiben des US-Präsidenten überreicht hatte, verließ er Japan wieder mit der Ankündigung, im kommenden Frühjahr mit einer größeren Flotte wiederzukommen. Die eigentlichen Verhandlungen zwischen beiden Seiten begannen dann im Februar 1854 und mündeten in die Unterzeichnung des Vertrages von Kanagawa am 31. März, mit dem Japan seine Politik der Abschließung gegenüber dem Ausland beendete. Zugleich eröffnete er die Möglichkeit des Handels zwischen beiden Ländern.
Heine hat die aufregende Zeit der Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages zwischen beiden Ländern als Augenzeuge aus unmittelbarer Nähe erlebt und in vielen Zeichnungen festgehalten, die ihm später als Vorlage für zahlreiche Illustrationen in dem Reisebericht und in seinen eigenen Werken dienten. Auch hatte er in der Zeit nach den Verhandlungen die Möglichkeit gehabt, einen Abstecher nach Shimoda zu unternehmen, das als Hafen für den künftigen Handel ausersehen wurde, so dass er wie kaum ein anderer westlicher Maler vor ihm einen umfassenden Einblick in die Landschaft und das Leben der Menschen in Japan erhielt. Schon bald nach seiner Rückkehr nach Amerika hat Heine seine Erlebnisse in Japan und den anderen Ländern in einem eigenen Werk mit zahlreichen Zeichnungen aus eigener Feder veröffentlicht: 1856 erschien in Leipzig das zweibändige Werk „Reise um die Erde nach Japan“. Diese Publikation war sofort ein großer Erfolg und noch im selben Jahr erschienen Übersetzungen in den Niederlanden und in Frankreich, war doch die amerikanische Expedition nach Japan und die Öffnung des Landes ein außerordentliches Ereignis, das ganz Europa bewegte.
Nachdem die Vereinigten Staaten als erste westliche Nation offizielle Beziehungen mit Japan aufgenommen hatten, folgten in kurzen Abständen auch die übrigen europäischen Mächte. Schließlich entschied sich 1859 auch Preußen dazu, eine Mission zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China, Japan und Siam (Thailand) nach Asien zu entsenden. Für eine solche Expedition hatte sich auch Heine nachdrücklich eingesetzt, dessen dritter Band der „Reise um die Erde“ unter dem Titel „Die Expedition in die Seen von China, Japan und Ochotsk“ soeben erschienen war. Zugleich bewarb er sich selbst um einen Posten als Mitglied dieser Mission. Nach langwierigen Verhandlungen erreichte er schließlich, dass er als „Zeichner“ der Expedition mitreisen durfte. Zudem wurde auf seinen Vorschlag hin ein Fotograf mitgenommen. Zur gleichen Zeit erschien noch ein weiteres Werk Heines über Japan: „Japan und seine Bewohner“ (Leipzig 1860). Auch dieses Buch beruhte auf seinen Erfahrungen und Studien im Zusammenhang mit der Expedition von Commodore Perry.
So gelangte Heine Ende 1860 ein zweites Mal nach Japan, um erneut an hervorgehobener Stelle Augenzeuge der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu werden – diesmal zwischen Japan und Preußen. Die Verhandlungen zwischen der preußischen Delegation unter der Führung von Friedrich Graf zu Eulenburg und dem damaligen Shogunat in Japan führten am 24. Januar 1861 zum Abschluss des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen beiden Ländern. Das 150-jährige Jubiläum dieses Vertragsabschlusses haben Japan und Deutschland im vergangenen Jahr in feierlichem Rahmen begangen. Über seine Erlebnisse im Rahmen dieser Expedition hat er wiederum ausführlich in seinem Hauptwerk berichtet, dem 1864 in zwei Bänden bei Brockhaus in Leipzig erschienenen Buch „Eine Weltreise um die nördliche Hemisphäre in Verbindung mit der Ostasiatischen Expedition in den Jahren 1860 und 1861“. Nachdem Heine noch von Japan aus in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt war, nahm er als Offizier auf Seiten der Union am amerikanischen Bürgerkrieg teil. Nach dem Krieg wirkte er mehrere Jahre als Konsul der Vereinigten Staaten in Paris und später in Liverpool. Schließlich kehrte Heine 1871 nach Deutschland zurück und verfasste hier sein letztes Werk über Japan: „Japan – Beiträge zur Kenntnis des Landes und seiner Bewohner“, erschienen zwischen 1873 und 1875. Ausgestattet mit fünfzig großformatigen Abbildungen stellte er in den fünf Kapiteln „Geschichtliches“, „Religiöses“, „Ethnologisches“, „Naturgeschichtliches“ und „Ansichten“ eine Auswahl seiner Kenntnisse über Japan vor, die er aus eigenen Erfahrungen oder durch weitreichende Lektüre gesammelt hatte.
Auch wenn Wilhelm Heine kein ausgewiesener Japanforscher war – bekannt ist seine öffentlich ausgetragene Kontroverse mit dem Japanforscher Philipp Franz von Siebold über die historische Bedeutung der amerikanischen Mission – haben seine auf unmittelbarer Anschauung beruhenden Werke und besonders auch die darin enthaltenen Zeichnungen und Bilder aus eigener Hand das romantische Japanbild, das in den ersten Jahrzehnten nach der Öffnung des Landes in Europa einschließlich Deutschland vorherrschte, mitgeprägt. Heute sind sein Leben und sein Werk fast vergessen – wie auch die Tatsache, dass er als Mitglied der Expeditionen Perrys und Eulenburgs ein unmittelbarer Augenzeuge der Öffnung Japans sowie des Beginns der offiziellen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland war. Sein Engagement für die Vermittlung von Kenntnissen über Japan in Deutschland verdient jedoch durchaus große Anerkennung.
Verwendete Literatur:
Andrea Hirner: Wilhelm Heine - ein weltreisender Maler zwischen Dresden, Japan und Amerika, 2009.