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Neues aus Japan Nr.104 Juli 2013

Interview mit Prof. Dr. jur. Heinrich Menkhaus

Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V.

Prof. Dr. Menkhaus ist seit 2008 Lehrstuhlinhaber für Deutsches Recht an der Meiji University in Tokyo. Zuvor war er Professor für Japanisches Recht an der Philipps-Universität Marburg. Neben seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten, die er seit 2003 ausübt, ist er zudem Vorsitzender des Vorstandes der Deutsch-Japanischen Gesellschaft für Arbeitsrecht e.V. sowie Mitglied des Vorstandes der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Tokyo.

 

Die Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V. wurde im vergangenen Jahr mit dem Preis des japanischen Außenministeriums für die vorbildliche Pflege der Beziehungen mit Japan auf wissenschaftlichem Gebiet ausgezeichnet. Takeshi Nakane, japanischer Botschafter in Deutschland, überreichte am 25. September 2012 in Bonn die Urkunde an den Vorsitzenden Prof. Dr. Heinrich Menkhaus. (Foto: Arne Meindl)

 

Neues aus Japan: Herr Prof. Menkhaus, welche Ziele verfolgt die Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten und wie wollen Sie diese Ziele erreichen?

Das Ziel ist in der Satzung des Vereins festgelegt. Es geht um die Förderung des wissenschaftlichen Austausches zwischen Japan und dem deutschsprachigen Raum. Der Verein verfolgt dieses Ziel seit seiner Gründung 1995 mit einer Vielzahl von verschiedenen Aktivitäten. Dazu zählen unter anderem Tagungen und Informationsveranstaltungen, regelmäßige Veröffentlichungen und seit diesem Jahr der JSPS Alumni Club Award. Hervorheben möchte ich das jährlich stattfindende, zusammen mit der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) organisierte wissenschaftliche Symposium zu wechselnden Themen an verschiedenen Standorten im deutschsprachigen Raum, bei dem ebenso viele deutsche wie japanische Fachleute zur Sprache kommen. Außerdem arbeiten wir eng mit den deutschen und japanischen Forschungsförderungsorganisationen zusammen. Dabei ist die Form der Zusammenarbeit je nach Partner unterschiedlich. Zum Beispiel hat der Verein für den Seibold-Preis der DFG das Vorschlagsrecht, für die Humboldt-Stiftung nehmen wir an den Vorbereitungstreffen der neuen Stipendiaten teil und beraten diese zu Japan, für das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus Tokyo stellt der Verein Gutachter für die Vergabe des German Innovation Award. Die JSPS hat sogar ein eigenes Förderprogramm ausschließlich für Mitglieder eines JSPS-Alumnivereins. Wir sind bei der Auswahl beteiligt. Wichtig ist uns auch die genaue Kenntnis der verschiedenen Stipendienprogramme auf beiden Seiten, damit wir nicht nur Antragswillige beraten können, sondern auch den Stipendiengebern signalisieren können, an welcher Stelle etwas fehlt. Ein Ergebnis dieser Arbeit war die Gründung eines eigenen Fonds, der kleine Lücken schließen kann.

An wen richten sich die Aktivitäten Ihrer Gesellschaft und können davon auch Nicht-Stipendiaten profitieren?

Wie gerade gesagt sind die Adressaten unserer Aktivitäten nicht ausschließlich die Mitglieder, sondern auch Wissenschaftler, Organisationen und Hochschulen sowohl in Japan als auch im deutschsprachigen Raum. Dem bedarf es allein schon um die Gemeinnützigkeit des Vereins aufrechtzuerhalten, die ja erwartet, dass der Verein etwas für die Gesellschaft als Ganzes tut. Die Aktivitäten wirken sich aber immer direkt oder indirekt als Mitgliederförderung aus.
Mitglieder können auch nicht nur diejenigen werden, die in den Genuss eines Stipendiums der JSPS oder der im Jahre 2000 mit der JSPS verschmolzenen Science and Technology Agency (STA) gekommen sind, sondern alle, die sich wissenschaftlich mit Japan befassen, ob sie nun ihren Aufenthalt in Japan von einer anderen Organisation finanziert erhielten oder Selbstzahler waren. Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen besteht nur darin, dass Erstere die mit dem Stimmrecht einhergehende ordentliche Mitgliedschaft erwerben können, während die anderen außerordentliche Mitglieder ohne Stimmrecht werden. Daneben gibt es institutionelle Mitgliedschaften, und wir freuen uns, dass wir die Europabüros von vier japanischen Universitäten zu unseren Mitgliedern zählen dürfen. Gegenwärtig betreiben wir verstärkt Mitgliederwerbung unter den japanischen Wissenschaftlern, die im deutschsprachigen Raum arbeiten. Ihre Zahl steigt, sie wurden fast alle einmal von JSPS gefördert und der Austausch kann nur dann besonders gut funktionieren, wenn sich die Forscher aus beiden Ländern kennen und sich regelmäßig treffen.

In welcher Sprache finden die Veranstaltungen wie z.B. Symposien statt?

Mit dieser Frage berühren Sie einen wunden Punkt. Die Defizite, was die Sprache des jeweils Anderen angeht, sind auf beiden Seiten unübersehbar. Die japanische Seite ist, was Deutschkenntnisse angeht, immer noch im Vorteil. Andererseits ist klar, dass insbesondere Geistes- und Sozialwissenschaften ohne eine umfassende Kenntnis der Sprache und Schrift des Gastlandes nicht zu bewältigen sind. Die Ingenieure, Lebens- und Naturwissenschaftler haben es insoweit etwas einfacher, sie verständigen sich überwiegend in Englisch. Wir haben deshalb einen Kompromiss gesucht, den wir in der englischen Sprache gefunden haben. In einer Sprache zu kommunizieren, die beiden Seiten fremd ist, hat Vor- und Nachteile. Dessen sind wir uns natürlich bewusst.

Seit wann besteht die Gesellschaft und wie finanziert sie sich?

Der Verein wurde im Jahre 1995 gegründet und in das Vereinsregister des Ortes seiner Geschäftsstelle Bonn eingetragen. Seinerzeit kamen verschiedene positive Bedingungen zusammen. Die Anzahl der ehemaligen Stipendiaten im deutschsprachigen Raum hatte eine kritische Masse erreicht, die die Vereinsgründung möglich machte. Zugleich zeigte der seinerzeitige Leiter des JSPS Büros in Bonn, Prof. Dr. Eiichi Arai, großes Interesse an der Gründung. Herr Arai ist heute unser Ehrenmitglied. Die Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V. ist weltweit die erste Alumnivereinigung von JSPS-Stipendiaten.

Die Finanzen des Vereins speisen sich aus zwei Quellen. Zum einen die Mitgliedsbeiträge, die angesichts einer Mitgliederzahl von über 340 Wissenschaftlern und einigen institutionellen Mitgliedern in der Summe nicht gering sind, aber seit der Gründung auf konstanter Höhe verharren, weil die Mitglieder nicht überfordert werden dürfen. Zum anderen sind das die sogenannten Drittmittel. Bei diesen ist JSPS selbst zuerst zu nennen. Ohne diese großzügige Unterstützung hätten die Aktivitäten gar nicht erst anlaufen, geschweige denn weitergeführt werden können. Es gibt aber auch andere Drittmittelgeber. Hier sind vor allem die Humboldt-Stiftung und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) zu nennen. Beide verstehen das jährliche wissenschaftliche Symposium als eine Alumni-Veranstaltung auch für ihre Stipendiaten. Denn viele ehemalige JSPSler wurden auch schon einmal vom DAAD gefördert, bzw. die JSPS ist auch an den Japan-Programmen der Humboldt-Stiftung beteiligt.

Die Unterstützung durch Unternehmen hat sich bisher als sehr schwierig herausgestellt. Die Gründe sind uns nicht klar – gerade Forschung und Innovation sind ja die Triebfedern der Wirtschaft. Aber auch hier haben wir Fortschritte erzielt. So sponsert die japanische Fluggesellschaft All Nippon Air (ANA) unseren Preis, den JSPS Alumni Club Award. Mit diesen projektgebundenen Mitteln lässt sich jedoch keine Kontinuität in der Vereinsführung erreichen. Deshalb sind wir der JSPS sehr dankbar dafür, dass die Geschäftsstelle des Vereins im JSPS Büro in Bonn angesiedelt werden konnte.

Wie viele Wissenschaftler wurden bis dato von der JSPS gefördert und wie viele engagieren sich in der Gesellschaft?

Die Förderung von Deutschen durch JSPS begann im Jahre 1970. Die ersten Geförderten sind uns bekannt, beide sind renommierte Wissenschaftler, leider jedoch (noch) nicht Mitglied. Mittlerweile sind von JSPS in den deutschsprachigen Ländern weit mehr als 2.000 Personen gefördert worden. Die Mitgliederwerbung ist nicht immer ganz einfach. Der Datenschutz ist eine große Hürde. Das bedeutet, dass JSPS dem Verein nicht die Adressen der Geförderten mitteilen darf, sondern nur in Mitteilungen an diese auf die Existenz des Vereins hinweisen darf. Hinzukommt, dass die Datenlage veraltet ist, und ehemalige Stipendiaten nur unter Mühen lokalisiert werden können. Zur Sicherung der Gemeinnützigkeit laden wir zu einigen Veranstaltungen auch Nichtmitglieder unter den Ehemaligen ein. Diese klären wir dann in persönlichen Gesprächen über den Sinn einer Mitgliedschaft auf.

Welche Veranstaltungen sind für die nächste Zukunft geplant?

Die geplanten Veranstaltungen werden auf unserer Homepage www.jsps-club.de angekündigt und bald auch über Facebook. Neben dem schon angesprochenen jährlichen wissenschaftlichen Symposium findet ebenfalls auf Jahresbasis ein Treffen statt, zu dem nur die Mitglieder und ihre Partner geladen sind. Mit dieser Veranstaltungsreihe „Mitglieder laden Mitglieder ein“ sind wir im November dieses Jahres in Freiburg. 2014 wird im Mai das wissenschaftliche Symposium voraussichtlich in Erlangen und im Herbst „Mitglieder laden Mitglieder ein“ in Wien stattfinden. Die Planungen für 2015 sind auch schon weit fortgeschritten. Da der Verein dann seinen 20. Geburtstag feiert, soll neben dem Symposium im deutschsprachigen Raum im Frühjahr im Herbst auch eine Konferenz in Tokyo stattfinden. So haben wir auch unseren 10. und 15. Geburtstag gefeiert. Gemeinsam mit JSPS haben wir 2005 im Jahr „Deutschland in Japan” und 2010 anlässlich des 150. Jubiläums der deutsch-japanischen diplomatischen Beziehungen zu einem deutsch-japanischen Symposium in Tokyo eingeladen. Da eine nicht unbedeutende Anzahl unserer Mitglieder in Japan lebt und arbeitet, bieten wir auch in Japan regelmäßig Veranstaltungen an. Es gibt eine Jahrestagung, die ab nächstem Jahr wie ein japanisches „Mitglieder laden Mitglieder ein“ gestaltet wird, und den „Wissenschaftlichen Gesprächskreis“ (WGK), den wir seit 2009 zusammen mit dem DAAD Büro Tokyo mehrmals pro Jahr organisieren.

Überlegen Sie, eventuell neue Formen für die Aktivitäten der Gesellschaft einzuführen?

Angesichts der nun schon fast 20-jährigen Vereinsgeschichte haben wir begonnen, die Arbeit einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Bei unserem wissenschaftlichen Symposium in Münster 2012 gab es eine Diskussionsrunde zu der künftigen Ausrichtung unserer Aktivitäten. Zurzeit wird diese Diskussion mit einer Umfrage unter den Mitgliedern fortgesetzt. Es ist durchaus denkbar, dass als Ergebnis neue Formate entstehen. Die Mitglieder haben auch schon Ideen vorgetragen: z.B. könnte bei den Symposien ein Beitrag mit historischem Rückblick auf die deutsch-japanischen Beziehungen einer bestimmten Periode vorausgehen. Unser Verein ist auch Mitglied im Verband der Deutsch-Japanischen Gesellschaften. Wir möchten die Zusammenarbeit mit dem Verband intensivieren, um dort - neben dem Kulturaustausch im engeren Sinne - auch dem Austausch in der Wissenschaft eine Stimme zu verleihen. Die größte Herausforderung, mit der wir uns seit einigen Jahren befassen, ist die Bildung einer übergreifenden Alumni-Vereinigung, die alle wissenschaftlichen „Japan-Fahrer“ unter einem Hut versammelt. Angesichts der überschaubaren Anzahl dieser Personen und allseits begrenzter finanzieller Möglichkeiten ist es nicht ratsam, dass verschiedene Alumni-Aktivitäten parallel laufen.

Können Sie uns einen kurzen Ausblick auf die künftige Entwicklung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland geben?

Prognosen sind nicht immer einfach, aber es lässt sich schon einiges sagen. Deutschland und Japan gehören zu den wirtschaftlich und technisch stärksten Staaten auf der Erde. Das wird sich so schnell nicht ändern. Also wird man auch in Zukunft sehr viel voneinander lernen können. Deutschland und Japan haben zudem annähernd die gleichen Probleme: zunehmende Alterung der Bevölkerung verbunden mit einer niedrigen Geburtenrate. Das wird große Auswirkungen unter anderem auf die Warenmärkte (Stichwort „Silver Market“), auf die Arbeitsmärkte, auf medizinische und pflegerische Dienstleistungen, und auch auf die Sozialversicherungssysteme haben. Gemeinsam ist uns auch das Problem der Energieversorgung und der Klimawandel. Beide Staaten sind deshalb gezwungen, sich gegenseitig an den gewonnenen Erkenntnissen zu orientieren. Für meine eigene Disziplin, die Rechtswissenschaft, gibt es aus historischen Gründen einen sehr lebendigen Austausch. Auch hier wird sich die gegenseitige Beobachtung der jeweiligen Rechtsentwicklung ganz natürlich fortsetzen. Dies alles befeuert den deutsch-japanischen Austausch in Wissenschaft und Forschung erheblich, ganz zu schweigen von Projekten, in denen Deutschland und Japan schon jetzt mit Drittländern zusammenarbeiten. Auch hier bedarf es der ständigen bilateralen Abstimmungen.

Vielen Dank, Herr Prof. Menkhaus.

 

 


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