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	von Dr. Kitaoka Shinichi 
	 
	Das japanische Originalmanuskript erschien mit geringen Änderungen 
	in Chuo Koron, Juni 2005. Die Übersetzung ins Deutsche wurde von der 
	Botschaft von Japan angefertigt; ihr liegt die englische Version des 
	Artikels in Japan Echo, Sonderausgabe 2005, zugrunde. (Die Ansichten in diesem Artikel sind die des Verfassers und stellen nicht 
	die Ansichten der Regierung von Japan dar.) 
	 
	
	Ende März dieses Jahres wurde in China per Internet eine 
	breit angelegte Kampagne gestartet, um Unterschriften gegen Japans Bewerbung 
	um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu sammeln. 
	Am 9. April begann zudem eine Serie gewalttätiger antijapanischer 
	Demonstrationen in mehreren chinesischen Städten. Etwa zur gleichen Zeit 
	erklärte der südkoreanische Präsident Roh Moo-hyun offen, dass er gegen 
	einen ständigen Sitz Japans im Sicherheitsrat sei. Wie sind diese Ereignisse 
	zu bewerten? Wie ernst sind sie? Und wie sollte Japan darauf reagieren? Dies 
	sind die Fragen, die ich in diesem Artikel behandeln möchte, wobei ich mich 
	auf die Situation in China konzentrieren werde. 
	 
	Jede Veränderung der Zusammensetzung des Sicherheitsrats, wie sie Japan nun 
	anstrebt, hat eine Änderung der Charta der VN zur Folge, für die eine 
	Zustimmung von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung 
	erforderlich ist. Die Resolution über diese Änderung muss anschließend von 
	zwei Drittel der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, darunter allen 
	ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates einschließlich China. Wenn also 
	China (oder eines der anderen vier ständigen Mitglieder des jetzigen 
	Sicherheitsrats - Frankreich, Großbritannien, Russland und die Vereinigten 
	Staaten) eine Änderung ablehnt, kann sie nicht in Kraft treten. 
	 
	Hintergrund der Proteste 
	Ein wichtiger Faktor, der bei der Analyse dieser Entwicklungen in China 
	berücksichtigt werden muss, ist der jüngste Erfolg der so genannten Gruppe 
	der Vier (G4) - Brasilien, Deutschland, Indien und Japan - bei der 
	Vorbereitung der Grundlagen für eine Reform des Sicherheitsrates. 
	 
	Im September 2004 begannen die G4 aktiv für eine Reform des Sicherheitsrats 
	zu werben, die eine Erhöhung der Zahl der ständigen und nichtständigen 
	Mitglieder beinhaltet. Im Verlauf der offenen Debatte in der 
	Generalversammlung erhielten sie die Unterstützung von etwa 120 Staaten. 
	Diese Zahl stellt die etwa zwanzig Mitglieder der als „Kaffee-Klub“ 
	bekannten Gruppierung in den Schatten, darunter Italien und Pakistan, die 
	nur eine Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder anstrebt. 
	 
	Im November 2004 legte das von VN-Generalsekretär Kofi Annan berufene 
	hochrangige Gremium über Bedrohungen, Herausforderungen und Veränderungen 
	einen Bericht vor, der zwei mögliche Modelle für eine Reform des 
	Sicherheitsrats anführte. Nach Modell A würde die Zahl der ständigen 
	Mitglieder um sechs und die Zahl der nichtständigen Mitglieder um drei 
	erhöht, während Modell B acht quasi-ständige Sitze mit vierjähriger Amtszeit 
	vorsieht, wobei mehrere Amtszeiten hintereinander möglich wären. Hinzu käme 
	bei diesem Modell ein weiterer nichtständiger Sitz. Während der allgemeinen 
	Diskussion erklärten die G4 ihre Unterstützung für Modell A, wobei sie von 
	mehr als sechzig Staaten unterstützt wurden, während sich nur etwa zehn 
	Staaten für Modell B aussprachen. Für diese deutlich geringere Unterstützung 
	der G4 gibt es mehrere Gründe. Zunächst einmal agieren die Mitgliedsstaaten 
	vorsichtiger, je näher die Möglichkeit einer Entscheidung rückt. Zweitens 
	beinhaltete Modell A weitere Elemente, die Widerspruch hervorriefen, wie 
	etwa Änderungen bei der regionalen Aufteilung der nichtständigen Sitze. 
	Drittens hielten sich zahlreiche afrikanische Länder zurück, da die 
	Afrikanische Union (AU) eine eigene Position vorbereitete. Jedoch waren wir 
	(die japanische Regierung und insbesondere meine Kollegen und ich in der 
	Ständigen Vertretung Japans bei den VN) zu diesem Zeitpunkt der Auffassung, 
	dass es mittels angemessener Änderungen beim Modell A und einer geduldigen 
	Lobbyarbeit durchaus möglich ist, eine Mehrheit von zwei Drittel der 
	Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung für eine entsprechende Resolution 
	zu erreichen. Anfang März 2005 nahm die AU eine einheitliche Haltung bei der 
	Erweiterung des Sicherheitsrats ein, die sich am Modell A orientierte und 
	damit die Position der G4 weiter stärkte. 
	 
	Allerdings besteht in einer Organisation, die sich aus souveränen Staaten 
	zusammensetzt, die Tendenz, einen Konsens anzustreben und 
	Mehrheitsentscheidungen zu vermeiden. Der Kaffee-Klub schlug nun vor, dass 
	nicht ein Staat oder eine Gruppe von Staaten einen eigenen Vorschlag 
	durchsetzen sollte, sondern die VN sich die Zeit nehmen sollten, um einen 
	Konsens zu erreichen. Etwa Mitte Februar nahm diese Gruppierung den Namen 
	„Vereint für den Konsens“ an und entschied, am 11. April eine Zusammenkunft 
	unter dem Vorsitz des italienischen Außenministers abzuhalten. Die Antwort 
	der G4 lautete, dass man nach zwölfjähriger Debatte über eine Erweiterung 
	des Sicherheitsrates nicht erwarten könne, dass weitere Diskussionen zu 
	einem Konsens führen würden. Es sei nun an der Zeit, die Angelegenheit per 
	Abstimmung zu entscheiden. 
	 
	Am 21. März veröffentlichte der Generalsekretär seinen Bericht zu dieser 
	Angelegenheit. Er rief dazu auf, die Entscheidung über die Reform des 
	Sicherheitsrats im September dieses Jahres zu treffen und erklärte: „Es wäre 
	für die Mitgliedsstaaten von Vorteil, wenn sie diese wichtige Entscheidung 
	im Konsens treffen könnten; sollte ein Konsens aber nicht möglich sein, darf 
	dies keine Entschuldigung für Verzögerungen sein.“ Dies war genau das, was 
	wir erwartet hatten und bedeutete für die Konsens-Gruppe einen schweren 
	Rückschlag. Aller Wahrscheinlichkeit nach veranlasste dies auch China, das 
	sich gegen einen ständigen Sitz für Japan ausgesprochen hat, dazu, Pläne 
	gegen die Bestrebungen Tokyos aufzustellen und diese umzusetzen. Dies nun 
	ist der Hintergrund der Internet-Kampagne und der antijapanischen 
	Demonstrationen in China im Frühjahr dieses Jahres. 
	 
	Betrachten wir diese Entwicklungen ein wenig genauer. Bei der Untersuchung 
	der Internet-Kampagne erschienen einzelne Namen regelmäßig viele Male 
	hintereinander - manche bis zu vierzigmal in der Sekunde. Ganz 
	offensichtlich wurden die Namen maschinell eingegeben, um die Ergebnisse zu 
	manipulieren.  
	 
	Am 4. April unternahm der chinesische VN-Botschafter Wang Guangya, der 
	gerade den monatlichen Vorsitz im Sicherheitsrat inne hatte, den 
	ungewöhnlichen Schritt, in seiner Eigenschaft als Präsident des 
	Sicherheitsrats seinen Standpunkt bezüglich dieser Angelegenheit im Rahmen 
	einer Pressekonferenz kund zu tun. Bezüglich der Erweiterung des 
	Sicherheitsrats betonte Wang, es sei sehr wichtig, einen Konsens zu 
	erreichen. Dies geschah auf die Fragen eines Fernsehsenders aus Hongkong 
	sowie einer Zeitung aus Pakistan, was deutlich darauf schließen lässt, dass 
	China sich mit der Konsens-Gruppe verbündet hatte.  
	 
	Die Debatte in der Generalversammlung über den Bericht des Generalsekretärs 
	begann am 6. April. Auch bei dieser Gelegenheit betonte Botschafter Wang die 
	Notwendigkeit eines Konsenses, und am nächsten Tag folgten auch die 
	Vereinigten Staaten, indem sie sich gegen eine „künstliche“ Zeitfrist 
	wandten. Die Vereinigten Staaten hatten ihre Erklärung zwar nicht mit China 
	oder der Konsens-Gruppe abgestimmt, aber Washington war offensichtlich 
	unzufrieden darüber, dass die Debatte über die Reform ohne große Mitwirkung 
	der Vereinigten Staaten an Fahrt gewonnen hatte. Auf alle Fälle aber musste 
	die Opposition zweier ständiger Mitglieder des Sicherheitsrats erhebliche 
	Auswirkungen auf den Zeitplan des Generalsekretärs haben. 
	 
	Am 9. April kam es in China zu antijapanischen Ausschreitungen, und am 11. 
	April nahmen 119 Staaten an der Zusammenkunft der Konsens-Gruppe teil. Die 
	Zahl der Teilnehmer reichte damit an die Zahl der Länder heran, die am 31. 
	März an einer Zusammenkunft der G4 teilgenommen hatten (134 Staaten). Damit 
	schienen sich die Aussichten für die Bestrebungen der G4 plötzlich 
	verschlechtert zu haben. Tatsächlich aber ist es keineswegs ungewöhnlich, 
	dass 119 Staaten an der Zusammenkunft der Konsens-Gruppe teilnahmen. 
	„Konsens“ ist ein Begriff, der innerhalb der VN sehr geschätzt wird. Wenn 
	mehrere wichtige Staaten ein Treffen abhalten und die Außenminister zur 
	Teilnahme einladen, können kleinere Staaten dies schwerlich ablehnen. Viele 
	der 119 Staaten hatten den G4 bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass sie an 
	dieser Zusammenkunft teilnehmen würden. Die Kampagne der Konsens-Gruppe, 
	Chinas Agieren und die fehlende Unterstützung durch die Vereinigten Staaten 
	sind in der Tat große Hindernisse für Japans Streben nach einem ständigen 
	Sitz im Sicherheitsrat. Kleinere Staaten werden leicht von den Großmächten 
	beeinflusst. Allerdings war diese Entwicklung kein Schock. Wäre ich Teil der 
	chinesischen Regierung, hätte ich wahrscheinlich ähnlich gehandelt. 
	Entscheidend ist, dass ich glaube, dass diese Hürden überwunden werden 
	können. 
	 
	Was qualifiziert ein Land für den Sicherheitsrat? 
	Meiner Auffassung nach sind die wichtigsten Qualifikationen für jedes Land, 
	das ständiges Mitglied im Sicherheitsrat werden will - unabhängig von den 
	vorhandenen oder fehlenden Qualifikationen der derzeitigen Mitglieder - der 
	Wille und die Fähigkeit, einen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit in der 
	Welt zu leisten. 
	 
	Japans Leistungen, die es in den vergangenen sechzig Jahren als eine dem 
	Frieden verpflichtete Nation erbracht hat, sind einmalig. Japan hat sich 
	seit Kriegsende nicht ein einziges Mal an einem Krieg beteiligt und besitzt 
	keinerlei Massenvernichtungswaffen. China dagegen war an einigen bewaffneten 
	Konflikten beteiligt. Es ist im Besitz von Atomwaffen und hat tatsächlich 
	eine bestimmte Zahl von Raketen auf Japan gerichtet. Von daher ist es 
	wirkliche Ironie, wenn China seine „Furcht vor dem wiedererwachten 
	japanischen Militarismus“ äußert.  
	 
	Japan war zudem im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ausgesprochen 
	aktiv, insbesondere in Ostasien. Etwa 20 % der gesamten Entwicklungshilfe 
	der letzten zehn Jahre kam aus Japan. Ohne Zweifel hat die umfangreiche 
	japanische Hilfe großen Anteil am bemerkenswerten Tempo des 
	Wirtschaftswachstum und der Entwicklung in China, Südkorea, Taiwan und 
	Südostasien während dieses Zeitraums gehabt.  
	 
	Im Falle Chinas lag der Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung in der 
	Infrastruktur. Ohne erhebliche Investitionen in diesem Bereich wäre die 
	ökonomische Vitalität, die wir in diesem Land heute erleben, nicht möglich 
	gewesen. Japanische Hilfen waren eine wichtige Finanzierungsquelle für den 
	Bau der Flughäfen Beijing und Shanghai sowie zahlloser Schnellstraßen.  
	 
	In den letzten Jahren sah sich Japan dazu veranlasst, seine Hilfsprogramme 
	für das Ausland etwas zurückzufahren, da es sich nun um den Abbau seiner 
	hohen Staatsschulden, die während der wirtschaftlichen Flaute in den 
	neunziger Jahren weiter zunahmen, bemüht. Nichtsdestotrotz stellt Japan auch 
	weiterhin effiziente und großzügige Unterstützung zur Verfügung, die von der 
	Soforthilfe für die Opfer der Flutkatastrophe im Indischen Ozean vor einigen 
	Monaten bis zur Lieferung großer Mengen von Moskito-Netzen nach Afrika im 
	Kampf gegen die Malaria reicht. In den neunziger Jahren begann Japan, den 
	Schwerpunkt seiner Auslandshilfe sowohl auf Afrika als auch auf Ostasien zu 
	legen. Zahlreiche afrikanische Staatschefs haben an den verschiedenen 
	Zusammenkünften der Tokyo International Conference on African Development (TICAD) 
	teilgenommen und damit ihre große Wertschätzung für dieses Forum und Japans 
	Afrika-Initiativen bezeugt.  
	 
	Da Japan eine Haltung einnimmt, die seine große Verpflichtung für den 
	Frieden deutlich macht, zögerte die Regierung lange Zeit, Truppen ins 
	Ausland zu entsenden. Japan war zunächst nicht in der Lage, das Konzept, 
	Frieden allein durch das Festhalten an den Idealen des Pazifismus zu 
	erreichen, zu überwinden. Schließlich aber erkannten die Menschen in Japan 
	doch, dass dieser Ansatz bei der Förderung des Friedens nicht unbedingt 
	effektiv ist. Seit der Entsendung von Truppen nach Kambodscha 1992 im Rahmen 
	der dortigen VN-Friedensmission beteiligt sich Japan aktiv an diesen 
	friedenserhaltenden Operationen. Insgesamt sind Japans Leistungen als eine 
	in hohem Maße dem Frieden verpflichtete Nation in den letzten sechzig Jahren 
	nur schwer zu wiederholen.  
	 
	China dagegen hat der Welt mit seinen jüngsten Aktionen seine wahren 
	Absichten gezeigt. Die Bilder von Polizisten, die untätig zusahen, wie 
	Demonstranten Steine auf diplomatische Vertretungen Japans warfen, waren 
	weltweit zu sehen. Beijings Weigerung, auf Tokyos Protest zu reagieren und 
	sich zu entschuldigen, steht im Widerspruch zur gängigen diplomatischen 
	Praxis. Bei der Berichterstattung über die Zusammenkunft zwischen dem 
	chinesischen Außenminister Li Zhaoxing und dem japanischen Außenminister 
	Nobutaka Machimura übergingen die chinesischen Medien Tokyos Protest und 
	berichteten über die Zitierung einer früheren Erklärung des vormaligen 
	Ministerpräsidenten Tomiichi Murayama durch Außenminister Machimura. Sie 
	erweckten so den Eindruck, als habe Tokyo sich zum ersten Mal entschuldigt. 
	Manche mögen dies als wohlmeinende Anstrengung der chinesischen Regierung 
	gewertet haben, die antijapanischen Gefühle im eigenen Land zu besänftigen. 
	Tatsache bleibt jedoch, dass Beijing ohne weiteres über den Protest hätte 
	berichten können und die Entschuldigung nicht hätte erwähnen müssen 
	(tatsächlich war dies bisher die übliche Vorgehensweise Chinas gewesen). 
	Dies ist die Art von Regierung, die in China regiert, und die jüngste Serie 
	von Ereignissen hat diese Tatsache den Menschen in aller Welt vor Augen 
	geführt. Im Westen beginnt sich die Stimmung zu ändern, und eine Reihe von 
	Zeitungen haben die Proteste als „Angriffe“ bezeichnet. 
	 
	Mit der Zeit wird die Dürftigkeit der Argumente der Konsens-Gruppe deutlich 
	hervortreten. Nur sehr wenige der wirklich wichtigen Entscheidungen in der 
	Weltgeschichte wurden im Konsens getroffen; so wurde Chinas Aufnahme in die 
	VN 1971 mit 76 zu 35 Stimmen beschlossen. Für ein Land mit Vetorecht (mit 
	anderen Worten: mit der Fähigkeit, den Konsens zu brechen) erscheint es 
	ironisch, die große Bedeutung des Konsenses hervorzuheben. Auch die 
	Behauptung der Konsens-Gruppe, die Aufnahme weiterer ständiger Mitglieder in 
	den Sicherheitsrat sei undemokratisch, erscheint mit Blick auf manche 
	Regierungen, die in einigen der Staaten dieser Gruppe bestehen, paradox.  
	 
	Ist Japan seiner Verantwortung für den Krieg ausgewichen? 
	Wie dem auch sei, viele Medienkommentare über den Streit zwischen China und 
	Japan beruhen auf der Vorstellung, dass Chinas Klagen über Japans Behandlung 
	der Vergangenheit teilweise gerechtfertigt sind. Sind sie dies aber 
	wirklich? Ich möchte diese Annahme näher untersuchen.  
	 
	Beginnen wir mit der Kritik, dass Japan sich nie wirklich für seine 
	Aggression gegenüber China und für seine Rolle im Zweiten Weltkrieg 
	entschuldigt habe.  
	 
	Krieg ist seit unvordenklichen Zeiten eine Geißel der Menschheit, die wir 
	vielleicht niemals richtig ausrotten können. Wenn ein Krieg aber einmal 
	ausgebrochen ist, muss er zu einem Ende gebracht werden. Dies beinhaltet 
	typischer Weise erstens territoriale Konzessionen, zweitens die Bestrafung 
	der Verantwortlichen und drittens die Zahlung von Reparationen.  
	 
	Nach dem Zweiten Weltkrieg verzichtete Japan auf Taiwan, Korea, Sachalin, 
	die Kurilen-Inseln und weitere Territorien. Vom Internationalen 
	Militärgerichtshof für den Fernen Osten, allgemein Prozess von Tokyo 
	genannt, wurden zahlreiche japanische Militärs wegen Kriegsverbrechen 
	verurteilt (weitere Soldaten mit geringeren Vergehen wurden in anderen 
	asiatischen Ländern vor Gericht gestellt). Die japanische Regierung leistete 
	an Burma, Indonesien, die Philippinen und Vietnam Reparationen und zahlte 
	zudem quasi Reparationen an Thailand, mit dem sich Japan niemals im 
	Kriegszustand befunden hat. 
	 
	Wenden wir uns nun Japans Beziehungen zu China nach dem Zweiten Weltkrieg 
	zu. 1952 schloss Japan einen Friedensvertrag mit der Republik China. Damals 
	hätte es die japanische Regierung vorgezogen, den Umfang des Vertrags auf 
	das Gebiet zu beschränken, das die Republik China tatsächlich kontrollierte, 
	d.h. Taiwan, um das Tor für die Aufnahme offizieller Beziehungen mit der 
	Volksrepublik China, die 1949 auf dem Festland gegründet worden war, offen 
	zu lassen. Letztendlich aber beugte sich Tokyo dem Druck aus Washington, 
	erkannte die Regierung in Taipei als legitime Regierung ganz Chinas an und 
	schloss einen entsprechenden Vertrag. Damals wurden auch Reparationen 
	diskutiert, allerdings gab Taipei seine Forderungen nach Entschädigung auf, 
	da Chiang Kai-shek größeren Wert darauf legte, seine Regierung als 
	rechtmäßige Regierung von China anerkannt zu sehen. Mit anderen Worten, er 
	stellte den politischen Nutzen über den wirtschaftlichen Nutzen.  
	 
	Tokyo und Beijing nahmen 1972 diplomatische Beziehungen auf; dabei 
	verzichtete auch die Volksrepublik auf Reparationen. Mao Zedong und Zhou 
	Enlai erklärten, für den Krieg sei eine kleine Gruppe von Militaristen 
	verantwortlich gewesen und nicht die einfachen Menschen in Japan. Sie 
	wollten diese Menschen nicht bestrafen, indem sie ihnen Reparationen 
	auferlegten. Die Japaner waren von dieser großzügigen Haltung beeindruckt, 
	und Beijing erlangte die Anerkennung als rechtmäßige Regierung von China. 
	Dies ist ein weiteres Beispiel für den Verzicht auf wirtschaftliche Vorteile 
	zugunsten politischer Vorteile.  
	 
	Auch wenn Japan keine Reparationen an China leistete, hat es seit Abschluss 
	des bilateralen Friedens- und Freundschaftsvertrags im Jahre 1978 
	wirtschaftliche Hilfe in Höhe von mehr als drei Billionen Yen geleistet. 
	Dies ist nicht das gleiche wie Kriegsreparationen, aber es ist genauso wenig 
	normale Auslandshilfe. Es war das erste Mal, dass Japan einer Militärmacht, 
	die im Besitz von Atomwaffen ist, Hilfe gewährte, und nicht jeder in Japan 
	war darüber glücklich, ein kommunistisches Land zu unterstützen. Ein solches 
	Programm hätte nur schwer verwirklicht werden können, wenn sich die Menschen 
	in Japan nicht der Notwendigkeit einer Sühneleistung bewusst gewesen wären.
	 
	 
	Japans Hilfe an China war bei der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung 
	des Landes außerordentlich effektiv. Die chinesische Wirtschaft wird heute 
	von ausländischen Investitionen angetrieben; aber ohne entsprechende 
	Infrastruktur würden ausländische Unternehmen nicht investieren. Ein großer 
	Teil dieser Infrastruktur aber wurde mit japanischem Geld geschaffen.  
	 
	Der größte Teil der japanischen Hilfe für China wurde in Form von Krediten 
	gewährt (allerdings leistete Tokyo auch ca. 140 Mrd. Yen an zinslosen und 
	rückzahlungsfreien Zuschüssen). Jedoch mindert die Tatsache, dass die Hilfe 
	aus Krediten besteht, nicht ihren Wert. Jedermann weiß um die große 
	Bedeutung von Krediten zu günstigen Zinsen, wenn man ein Auto oder ein Haus 
	kauft. Dies ist die Art von Hilfe, die Japan China gewährt hat, und China 
	hat im Gegenzug seine Verbindlichkeiten stets ordnungsgemäß bedient. Der 
	Erfolg eines Hilfsprogramms wird dadurch deutlich, dass es zur 
	wirtschaftlichen Entwicklung des Empfängerlandes beiträgt und dass die 
	Rückzahlungen in einem vernünftigen Zeitrahmen erfolgen. Nach beiden 
	Kriterien ist Japans wirtschaftliche Hilfe für China ein voller Erfolg.  
	 
	Gegenwärtig rufen die VN die führenden Industrieländer dazu auf, den Umfang 
	ihrer offiziellen Entwicklungshilfe auf 0,7 % des BIP zu steigern. Ich 
	stelle die Grundlage dieser Forderung in Frage. Es ist ausgesprochen 
	schwierig, beständige Ergebnisse mittels Wirtschaftshilfe zu erreichen; aber 
	wenn es um Hilfe geht, die zu wirtschaftlicher Entwicklung führt, können nur 
	wenige Staaten bessere Ergebnisse vorweisen als Japan. 
	 
	Hat Japan es versäumt sich zu entschuldigen? 
	China klagt regelmäßig, dass Japan sich niemals aufrichtig für sein 
	Verhalten während und vor der Zeit des Zweiten Weltkriegs entschuldigt habe. 
	Befassen wir uns mit dieser Frage einmal näher. 
	 
	Zunächst einmal erscheint es mir so, dass die Annahme der Urteile des 
	Prozesses von Tokyo durch Japan und seine umfangreiche wirtschaftliche Hilfe 
	an China in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bereits für sich genommen 
	eine Art Entschuldigung darstellen. Jedoch hat sich Japan darüber hinaus bei 
	mehreren Gelegenheiten ausdrücklich entschuldigt: im Rahmen der Gemeinsamen 
	Japanisch-Chinesischen Erklärung vom September 1972, im genannten Vertrag 
	von 1978 und in der Gemeinsamen Japanisch-Chinesischen Erklärung von 1998 - 
	China hat diese Entschuldigungen damals stets akzeptiert. Darüber hinaus 
	erklärte Ministerpräsident Murayama anlässlich des fünfzigsten Jahrestages 
	des Kriegsendes 1995: 
	
	
	Wenn dies keine eindeutige Entschuldigung ist, welche ist es 
	dann? (Anmerkung des Herausgebers: Am 22. April dieses Jahres brachte 
	Ministerpräsident Junichiro Koizumi in einer Rede vor Vertretern von mehr 
	als achtzig Staaten anlässlich des Asien-Afrika-Gipfels im indonesischen 
	Bandung eine Entschuldigung gleichen Inhalts zum Ausdruck.) 
	 
	Manche beklagen sich, dass Japans Entschuldigungen nicht so eindeutig seien 
	wie die Entschuldigungen Deutschlands. Wie aber kann man diese beiden Länder 
	miteinander vergleichen? Deutschland hat sich für den Holocaust 
	entschuldigt, das Vorhaben, eine ganze Rasse auszulöschen, ein beispielloses 
	Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Nicht einmal die 
	Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, das System der sowjetischen 
	Straflager unter Stalin oder die Massenmorde Pol Pots können mit dem 
	Holocaust verglichen werden.  
	 
	Und was ist mit anderen Staaten? Hat China sich für seine Invasion in 
	Vietnam 1979 entschuldigt? Haben sich die Vereinigten Staaten oder 
	Großbritannien für ihre Angriffe und Kriege in der Vergangenheit 
	entschuldigt? Sicherlich sind mächtige Sieger nicht von der Verpflichtung 
	ausgenommen, sich für Aggressionen in der Vergangenheit zu entschuldigen. Es 
	liegt nicht in meiner Absicht, diese Staaten zu kritisieren, sondern allein 
	die Natur des Krieges hervorzuheben. Auf alle Fälle ist die Behauptung, 
	Japan habe sich nicht entschuldigt, offensichtlich falsch, und es trifft 
	auch nicht zu, dass es sich nicht in einer Weise entschuldigt habe, die von 
	einem Aggressor erwartet wird.  
	 
	Verzerrt Japan die Geschichte? 
	Wenden wir uns als nächstes dem Vorwurf zu, Japan stelle die Geschichte 
	nicht korrekt dar - die sogenannte Schulbuch-Problematik. 
	 
	In Japan besteht ein Verfahren, mittels dem die in den öffentlichen Schulen 
	verwendeten Schulbücher von der Regierung geprüft werden. Japan hat dieses 
	Verfahren gewählt, weil es der Auffassung ist, dass es nichts Wichtigeres 
	gibt als die freie Meinungsäußerung. Die wichtigste Ursache dafür, dass 
	Japan in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts den Weg der Aggression 
	und Expansion beschritt, war die fehlende Meinungsfreiheit. Unter 
	Berücksichtigung dieser Tatsache erstellt die Regierung keine eigenen 
	Schulbücher, sondern erlaubt Herausgebern, diese nach eigenen Vorstellungen 
	zu verfassen. Das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und 
	Technologie prüft dann diese Bücher unvoreingenommen auf mögliche Fehler. Im 
	Rahmen dieses Verfahrens wurden acht verschiedene Lehrbücher für den 
	Geschichtsunterricht an Mittelschulen und elf Lehrbücher allein für den 
	Unterricht in Japanischer Geschichte in den Klassen der Oberschulen 
	genehmigt. Welches dieser Bücher verwendet wird, liegt im Ermessen der 
	einzelnen Schulen. (Unglücklicherweise verstehen viele Menschen in China 
	dies nicht. Erst kürzlich war ich darüber überrascht, dass ein hochrangiger 
	chinesischer Diplomat der Auffassung war, dass japanische Schulen 
	Geschichtslehrbücher verwenden, die von der Regierung herausgegeben werden.) 
	 
	Das Schulbuch, das jüngst die heftigste Kritik von Seiten Chinas und 
	Südkorea auslöste, wird vom Verlag Fusosha herausgegeben. Dieses Schulbuch 
	leugnet an keiner Stelle, dass Japan gegenüber anderen Staaten eine 
	Aggression unternahm. Es erkennt an, dass Mandschukuo ein Marionettenstaat 
	war, dass Japans Kolonialherrschaft über Korea brutal war und dass 
	japanische Soldaten in Nanjing viele chinesische Soldaten und Zivilisten 
	massakrierten. Als Gelehrter gestehe ich, dass ich einige Vorbehalte 
	bezüglich des Inhalts dieses Schulbuchs habe. Aber der Vorwurf, dass es die 
	japanische Aggression verherrliche, ist vollkommen ungerechtfertigt. 
	 
	Es sollte hinzugefügt werden, dass, nachdem die vorherige Version des Textes 
	von Fusosha genehmigt wurde, es gerade einmal von 0,1 % der Mittelschulen in 
	Japan als Schulbuch ausgewählt wurde. Das ist das ganze Ausmaß seines 
	Einflusses. Da die Proteste aus China und Südkorea dieses Buch jedoch in den 
	Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt haben, hat auch das Interesse der 
	Menschen in Japan zugenommen, und es dürfte nun mit hoher Wahrscheinlichkeit 
	von weiteren Schulen verwendet werden. 
	 
	Ein besonderer Gegenstand des Streits in Bezug auf die strittigen 
	Schulbücher ist das „Massaker von Nanjing“. Chinesische und südkoreanische 
	Kritiker beklagen, dass, obwohl die Bücher dieses Ereignis behandelten, es 
	nicht angemessen dargestellt und zum Beispiel die Zahl der Opfer nicht 
	genannt werde. Damit es kein Missverständnis gibt, möchte ich ganz klar 
	sagen: Ich bestreite nicht, dass es ein Massaker in Nanjing gab. Aber der 
	Grund, warum keine Zahl genannt wird, ist der, dass diese Zahl nicht bekannt 
	ist. Manche sagen, dass zwischen 200 000 und 300 000 Chinesen massakriert 
	wurden, jedoch wurden diese Zahlen bereits während des Prozesses von Tokyo 
	in Frage gestellt. Seitdem haben Forscher diese Zahlen immer wieder 
	bezweifelt. Ich möchte auf einige Punkte näher eingehen, die von Forschern 
	angeführt werden.  
	 
	1. Im Dezember 1937, unmittelbar vor dem Einmarsch der japanischen Armee in 
	Nanjing, wurde die Bevölkerung im Stadtzentrum auf 200 000 bis 250 000 
	Menschen geschätzt. Etwa einen Monat nach den Kämpfen, nachdem die Ordnung 
	wieder hergestellt worden war, war die Zahl der Menschen in diesem Gebiet 
	jedoch höher. Wie kann dies mit der Schätzung von 200 000 - 300 000 
	Getöteten in Einklang gebracht werden? 
	 
	2. 1940 setzte Japan die Regierung von Wang Jingwei in Nanjing ein. Wäre es 
	den Japanern tatsächlich möglich gewesen, nach einem Massaker in dem 
	behaupteten Ausmaß eine Marionettenregierung mit der Verwaltung zu betrauen? 
	 
	3. Unter den Zeugenaussagen während des Prozesses von Tokyo war die eines 
	Mannes, der behauptete, er sei dem Angriff der japanischen Soldaten gerade 
	noch entkommen, habe sich in einer Höhle verborgen und von dort aus gesehen, 
	wie die Japaner 57 418 Chinesen getötet hätten. Ist ein solcher Zeuge 
	glaubwürdig? 
	 
	4. Im Prozess von Tokyo wurde zudem die Aussage von zwölf Personen 
	protokolliert, die behaupteten, sie hätten täglich 2 600 Leichen beseitigt. 
	Ist dies angesichts dessen, was wir während des Krieges im Irak und 
	anlässlich der Tsunami-Katastrophe vor einigen Monaten sehen konnten, in 
	einer solchen Situation möglich ohne den Einsatz von Maschinen? Trotzdem 
	wird diese Aussage als Tatsache angesehen. 
	 
	Der japanische Oberbefehlshaber Ishine Matsui schrieb in sein Tagebuch, dass 
	er geweint habe, als er hörte, dass japanische Soldaten Angriffe, 
	Plünderungen und Vergewaltigungen begangen hatten. Dieser Eintrag beweist, 
	dass solche Gewalttaten tatsächlich vorkamen, er zeigt aber auch, dass sie 
	nicht geplant waren. Matsui wurde im Prozess von Tokyo für seine Rolle in 
	Nanjing zum Tode verurteilt.  
	 
	Auch andere tragen Verantwortung für das Massaker. Chiang Kai-shek hatte 
	Tang Shengzhi, dem Oberbefehlshaber der Garnison von Nanjing, den Befehl 
	gegeben, die Stadt zu verteidigen, obwohl er sehr gut wusste, dass sie nicht 
	verteidigt werden konnte. Chiang selbst floh, kurz bevor die Stadt fiel. 
	Normalerweise wird ein Befehlshaber sich ergeben, wenn die Niederlage 
	unvermeidbar ist, um unnötige Verluste unter Soldaten und Zivilisten zu 
	vermeiden. Und wenn der Oberbefehlshaber flieht, ist mit Sicherheit Chaos 
	die Folge. Wenn er kapituliert, kann er selbst hingerichtet werden, aber das 
	Leben von Soldaten und Zivilisten wird gerettet. 1945 wurden während des 
	Kampfes um Okinawa sehr viele Zivilisten getötet, weil das japanische 
	Militär nicht kapitulierte, als es dies hätte tun sollen. Das Militär sollte 
	niemals Zivilisten in einen sinnlosen Widerstand hineinziehen. Bis zu einem 
	gewissen Grad muss das gleiche auch über Chiang Kai-shek und Nanjing gesagt 
	werden. 
	 
	Es ist wahr, dass neue Dokumente über das Massaker aufgetaucht sind, wie 
	etwa das Tagebuch von John Rabe. Aber Rabes Angaben müssen sorgfältig 
	geprüft werden, da vieles davon auf Hörensagen beruht. Mir scheint, dass 
	beide Länder sich an dieser Forschung beteiligen sollten. 
	 
	Das Problem des Yasukuni-Schreins 
	Als Beweis dafür, dass Japan seine militaristische Vergangenheit beschönige, 
	verweisen Kritiker auf die Besuche von Ministerpräsident Junichiro Koizumi 
	im Yasukuni-Schrein, in dem die Gefallenen des Landes geehrt werden. Etwa 
	2,3 Mill. gefallene Soldaten werden in diesem Schrein geehrt, der im 19. 
	Jahrhundert gegründet wurde. Viele Nationen ehren diejenigen, die für ihr 
	Land starben, wie China selbst anerkennt. Die Kontroverse um den 
	Yasukuni-Schrein dreht sich um die Kriegsverbrecher der Kategorie A, die 
	hier geehrt werden.  
	 
	Artikel 11 des Friedensvertrags von San Fransisco bestimmt, dass Japan die 
	Urteile des Prozesses von Tokyo anzuerkennen hat. Japan hat die Urteile aus 
	politischen Gründen akzeptiert, jedoch wäre es schwierig einen Gelehrten zu 
	finden, der glaubt, dass dieser Prozess fair war. Zunächst einmal war er 
	unter verfahrentechnischen Aspekten außerordentlich problematisch, da es 
	keine angemessene Prüfung der Beweise, keine Gegenprüfung und keine höhere 
	Berufungsinstanz gab. Und wie viele wirkliche Historiker glauben, dass 
	dieser Prozess ein zutreffendes Bild von der Geschichte präsentierte? Der 
	erste entscheidende Schritt im Verlauf der japanischen Aggression war die 
	Besetzung der Mandschurei durch japanische Truppen. Trotzdem wurde General 
	Kanji Ishihara, die zentrale Figur dieses Ereignisses, nie angeklagt. Der 
	Grund dafür war, dass Ishihara sich später mit General Hideki Tojo, Japans 
	Ministerpräsident während des Krieges, überworfen hat.  
	 
	Das Gericht näherte sich allen Dingen aus amerikanischer Perspektive an. Es 
	war politisch kalkuliert, Japans Verantwortung für den Krieg abschließend zu 
	behandeln, damit das Land als Mitglied der internationalen Gemeinschaft 
	rehabilitiert werden konnte. In diesem Kontext konnte keine zuverlässige 
	historische Forschung stattfinden. Heute neigen Historiker dazu, diesen 
	Abschnitt des Zweiten Weltkriegs als einen Krieg zu sehen, der seinen 
	Mittelpunkt in Ostasien hatte; viele haben nahe gelegt, dass der Begriff 
	„Krieg im Pazifik“, der die amerikanische Perspektive widerspiegelt, nicht 
	ganz angemessen sei. Beim Prozess von Tokyo hingegen, der die 
	Amerika-zentrierte Sichtweise der Geschichte widerspiegelte, wurden der 
	Konflikt zwischen Japan und den Vereinigten Staaten und Hideki Tojo in den 
	Mittelpunkt gestellt. Es ist merkwürdig, dass China und sogar Korea, die 
	selbst gar keinen unmittelbaren Bezug zu den verurteilten Kriegsverbrechern 
	der Kategorie A hatten, der Geschichtsversion des Prozesses von Tokyo soviel 
	Glauben schenken.  
	 
	Heute ist der Yasukuni-Schrein als „religiöse Körperschaft“ registriert 
	(eine weitere Tatsache, die der bereits genannte chinesische Diplomat nicht 
	kannte). Daher wäre es für den Staat außerordentlich schwierig, sich in 
	seine Angelegenheiten einzumischen, ohne die von der Verfassung garantierte 
	Freiheit der Religion zu verletzen.  
	 
	Schließlich sollte noch betont werden, dass jedes Mal, wenn 
	Ministerpräsident Koizumi den Yasukuni-Schrein besuchte, er öffentlich 
	erklärte, dass er den Krieg für einen Fehler halte und dass er den Schrein 
	nicht deshalb besuche, um die Kriegsverbrecher zu verehren, sondern um die 
	unbekannten Soldaten zu ehren, die gezwungen wurden, in den Krieg zu ziehen 
	und auf den Schlachtfeldern starben. Diese Erklärungen sind jedes Jahr im 
	Fernsehen zu sehen. Wie können diese Besuche daher als Glorifizierung des 
	japanischen Aggressionskrieges aufgefasst werden? Heute glauben in Japan 
	manche, dass der Ministerpräsident diese Besuche einstellen sollte, solange 
	sie zu Missverständnissen unter Chinesen und Südkoreanern führten. Aber nur 
	wenige glauben, dass diese Besuche dazu dienen, die Aggression der 
	Vergangenheit zu verherrlichen.  
	 
	Für einen gestaltenden Dialog 
	Ich bin sowohl im Ausschuss für japanisch-chinesische Freundschaft im 21. 
	Jahrhundert als auch im Gemeinsamen japanisch-südkoreanischen historischen 
	Forschungsausschuss tätig. Meine eigene Sichtweise der Geschichte 
	unterscheidet sich von derjenigen einiger anderer Japaner in diesen 
	Ausschüssen und stimmt mit der einiger koreanischer Mitglieder überein. Man 
	kann Menschen nicht dazu zwingen, dieselben Ansichten zu hegen. Jedoch ist 
	es möglich, bestimmte Tatsachen zu klären, deren wir uns alle bewusst sein 
	sollten und unnötige Missverständnisse auszuräumen. Dies mag nicht genug 
	sein, um ein gemeinsames Schulbuch zu verfassen, aber es sollte ausreichen, 
	um ein gemeinsames Nachschlagewerk zu erstellen. Daher wäre es meiner 
	Meinung nach wünschenswert, wenn japanische und chinesische Forscher sich an 
	einem gemeinsamen historischen Forschungsprojekt beteiligten, ähnlich dem, 
	das japanische und südkoreanische Forscher in Angriff genommen haben (auch 
	wenn dieses Projekt die angestrebten Ergebnisse erst noch hervorbringen 
	muss). 
	 
	Allerdings gibt es für ein solches Projekt eine Reihe von Bedingungen. Eine 
	absolut notwendige Bedingung ist, dass das Projekt strikt wissenschaftlicher 
	Methodik folgt und die geistige Freiheit und Unabhängigkeit der Forscher 
	respektiert wird. Die Teilnehmer müssen bereit sein, Fakten 
	gegenüberzutreten, die ihr eigenes Land oder ihre eigenen Theorien 
	möglicherweise in ein schlechtes Licht stellen. Dies ist die 
	Mindestanforderung für akademisches Vorgehen. Damit unmittelbar verbunden 
	ist die zweite Bedingung: die Annäherung muss auf Gegenseitigkeit beruhen. 
	Eine Situation, in der die Japaner bereit sind, ihre Ansichten zu ändern, 
	die Chinesen aber nicht, ist undenkbar.  
	 
	Auch chinesische und südkoreanische Schulbücher haben ihre eigenen Probleme. 
	Wie viel lernt man in chinesischen Schulen über den Großen Sprung nach vorn 
	und die Kulturrevolution? In der Gedenkhalle in der Nähe der 
	Marco-Polo-Brücke, die an den chinesischen Widerstand gegen die japanische 
	Invasion erinnert, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Soldaten, die so 
	heldenhaft kämpften, tatsächlich die nationalistischen Truppen Chiang 
	Kai-sheks waren. Was das Hervorheben der Glanzpunkte seiner Geschichte und 
	das Verschweigen der Schattenseiten angeht, kann Japan China nicht 
	übertreffen.  
	 
	Die dritte Bedingung für solch ein gemeinsames Forschungsprojekt wäre, dass 
	daran auch Forscher aus anderen Ländern teilnähmen. Man könnte Forscher 
	sowohl ehemaliger Kolonialmächte als auch früherer Kolonien zur Teilnahme 
	einladen. Möglich wären u.a. Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, 
	die Niederlande und Vietnam, aber auch Israel, Deutschland und die 
	Vereinigten Staaten. 
	 
	Es liegt mir fern, die historische Wahrheit von Japans Aggression gegen 
	China und das dadurch bedingte große Leid zu leugnen. Es wird zweifelsohne 
	mehrere Generationen dauern, um diese Geschichte zu überwinden. 
	Nichtsdestotrotz müssen wir unsere Anstrengungen fortsetzen und die Fakten 
	unabhängig von derartigen Gefühlen zu klären. Sollte eine solche Prüfung 
	beweisen, dass mein eigenes Verständnis fehlerhaft war, werde ich meine 
	Haltung bereitwillig ändern. Wie Martin Buber gesagt hat, verändert eine 
	wahre Begegnung zwischen dem Selbst und dem Anderen beide für immer. Dies 
	ist die Art von unmittelbarer Begegnung, die Japan und China nötig haben. 
	Bislang hat Japan stets ein wenig gezögert, sich auf einen solch 
	unmittelbaren Dialog einzulassen, aber diese Haltung muss es ablegen. Und 
	als eine Großmacht mit entsprechender Verantwortung sollte auch China in der 
	Lage sein, sich dieser Herausforderung zu stellen.  
	  
 
	
	Dr. Shinichi Kitaoka 
	Promotion an der Universität Tokyo. Professor an der 
	Rikkyo-Universität und an der Universität Tokyo. Zur Zeit stellvertretender 
	Leiter der Vertretung Japans im Range eines Botschafters bei den Vereinten 
	Nationen in New York. Autor zahlreicher Veröffentlichungen 
	zu innen- und außenpolitischen Themen. 
	                         
	
                                                                                                                
	 
	
	
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