Botschaft von Japan
.Neues aus Japan Nr.9                               August 2005

 

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Antwort auf Chinas Japan-Kritiker
 


 

 

 

 

 

 

von Dr. Kitaoka Shinichi

Das japanische Originalmanuskript erschien mit geringen Änderungen in Chuo Koron, Juni 2005. Die Übersetzung ins Deutsche wurde von der Botschaft von Japan angefertigt; ihr liegt die englische Version des Artikels in Japan Echo, Sonderausgabe 2005, zugrunde. (Die Ansichten in diesem Artikel sind die des Verfassers und stellen nicht die Ansichten der Regierung von Japan dar.)


Ende März dieses Jahres wurde in China per Internet eine breit angelegte Kampagne gestartet, um Unterschriften gegen Japans Bewerbung um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu sammeln. Am 9. April begann zudem eine Serie gewalttätiger antijapanischer Demonstrationen in mehreren chinesischen Städten. Etwa zur gleichen Zeit erklärte der südkoreanische Präsident Roh Moo-hyun offen, dass er gegen einen ständigen Sitz Japans im Sicherheitsrat sei. Wie sind diese Ereignisse zu bewerten? Wie ernst sind sie? Und wie sollte Japan darauf reagieren? Dies sind die Fragen, die ich in diesem Artikel behandeln möchte, wobei ich mich auf die Situation in China konzentrieren werde.

Jede Veränderung der Zusammensetzung des Sicherheitsrats, wie sie Japan nun anstrebt, hat eine Änderung der Charta der VN zur Folge, für die eine Zustimmung von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung erforderlich ist. Die Resolution über diese Änderung muss anschließend von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, darunter allen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates einschließlich China. Wenn also China (oder eines der anderen vier ständigen Mitglieder des jetzigen Sicherheitsrats - Frankreich, Großbritannien, Russland und die Vereinigten Staaten) eine Änderung ablehnt, kann sie nicht in Kraft treten.

Hintergrund der Proteste
Ein wichtiger Faktor, der bei der Analyse dieser Entwicklungen in China berücksichtigt werden muss, ist der jüngste Erfolg der so genannten Gruppe der Vier (G4) - Brasilien, Deutschland, Indien und Japan - bei der Vorbereitung der Grundlagen für eine Reform des Sicherheitsrates.

Im September 2004 begannen die G4 aktiv für eine Reform des Sicherheitsrats zu werben, die eine Erhöhung der Zahl der ständigen und nichtständigen Mitglieder beinhaltet. Im Verlauf der offenen Debatte in der Generalversammlung erhielten sie die Unterstützung von etwa 120 Staaten. Diese Zahl stellt die etwa zwanzig Mitglieder der als „Kaffee-Klub“ bekannten Gruppierung in den Schatten, darunter Italien und Pakistan, die nur eine Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder anstrebt.

Im November 2004 legte das von VN-Generalsekretär Kofi Annan berufene hochrangige Gremium über Bedrohungen, Herausforderungen und Veränderungen einen Bericht vor, der zwei mögliche Modelle für eine Reform des Sicherheitsrats anführte. Nach Modell A würde die Zahl der ständigen Mitglieder um sechs und die Zahl der nichtständigen Mitglieder um drei erhöht, während Modell B acht quasi-ständige Sitze mit vierjähriger Amtszeit vorsieht, wobei mehrere Amtszeiten hintereinander möglich wären. Hinzu käme bei diesem Modell ein weiterer nichtständiger Sitz. Während der allgemeinen Diskussion erklärten die G4 ihre Unterstützung für Modell A, wobei sie von mehr als sechzig Staaten unterstützt wurden, während sich nur etwa zehn Staaten für Modell B aussprachen. Für diese deutlich geringere Unterstützung der G4 gibt es mehrere Gründe. Zunächst einmal agieren die Mitgliedsstaaten vorsichtiger, je näher die Möglichkeit einer Entscheidung rückt. Zweitens beinhaltete Modell A weitere Elemente, die Widerspruch hervorriefen, wie etwa Änderungen bei der regionalen Aufteilung der nichtständigen Sitze. Drittens hielten sich zahlreiche afrikanische Länder zurück, da die Afrikanische Union (AU) eine eigene Position vorbereitete. Jedoch waren wir (die japanische Regierung und insbesondere meine Kollegen und ich in der Ständigen Vertretung Japans bei den VN) zu diesem Zeitpunkt der Auffassung, dass es mittels angemessener Änderungen beim Modell A und einer geduldigen Lobbyarbeit durchaus möglich ist, eine Mehrheit von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung für eine entsprechende Resolution zu erreichen. Anfang März 2005 nahm die AU eine einheitliche Haltung bei der Erweiterung des Sicherheitsrats ein, die sich am Modell A orientierte und damit die Position der G4 weiter stärkte.

Allerdings besteht in einer Organisation, die sich aus souveränen Staaten zusammensetzt, die Tendenz, einen Konsens anzustreben und Mehrheitsentscheidungen zu vermeiden. Der Kaffee-Klub schlug nun vor, dass nicht ein Staat oder eine Gruppe von Staaten einen eigenen Vorschlag durchsetzen sollte, sondern die VN sich die Zeit nehmen sollten, um einen Konsens zu erreichen. Etwa Mitte Februar nahm diese Gruppierung den Namen „Vereint für den Konsens“ an und entschied, am 11. April eine Zusammenkunft unter dem Vorsitz des italienischen Außenministers abzuhalten. Die Antwort der G4 lautete, dass man nach zwölfjähriger Debatte über eine Erweiterung des Sicherheitsrates nicht erwarten könne, dass weitere Diskussionen zu einem Konsens führen würden. Es sei nun an der Zeit, die Angelegenheit per Abstimmung zu entscheiden.

Am 21. März veröffentlichte der Generalsekretär seinen Bericht zu dieser Angelegenheit. Er rief dazu auf, die Entscheidung über die Reform des Sicherheitsrats im September dieses Jahres zu treffen und erklärte: „Es wäre für die Mitgliedsstaaten von Vorteil, wenn sie diese wichtige Entscheidung im Konsens treffen könnten; sollte ein Konsens aber nicht möglich sein, darf dies keine Entschuldigung für Verzögerungen sein.“ Dies war genau das, was wir erwartet hatten und bedeutete für die Konsens-Gruppe einen schweren Rückschlag. Aller Wahrscheinlichkeit nach veranlasste dies auch China, das sich gegen einen ständigen Sitz für Japan ausgesprochen hat, dazu, Pläne gegen die Bestrebungen Tokyos aufzustellen und diese umzusetzen. Dies nun ist der Hintergrund der Internet-Kampagne und der antijapanischen Demonstrationen in China im Frühjahr dieses Jahres.

Betrachten wir diese Entwicklungen ein wenig genauer. Bei der Untersuchung der Internet-Kampagne erschienen einzelne Namen regelmäßig viele Male hintereinander - manche bis zu vierzigmal in der Sekunde. Ganz offensichtlich wurden die Namen maschinell eingegeben, um die Ergebnisse zu manipulieren.

Am 4. April unternahm der chinesische VN-Botschafter Wang Guangya, der gerade den monatlichen Vorsitz im Sicherheitsrat inne hatte, den ungewöhnlichen Schritt, in seiner Eigenschaft als Präsident des Sicherheitsrats seinen Standpunkt bezüglich dieser Angelegenheit im Rahmen einer Pressekonferenz kund zu tun. Bezüglich der Erweiterung des Sicherheitsrats betonte Wang, es sei sehr wichtig, einen Konsens zu erreichen. Dies geschah auf die Fragen eines Fernsehsenders aus Hongkong sowie einer Zeitung aus Pakistan, was deutlich darauf schließen lässt, dass China sich mit der Konsens-Gruppe verbündet hatte.

Die Debatte in der Generalversammlung über den Bericht des Generalsekretärs begann am 6. April. Auch bei dieser Gelegenheit betonte Botschafter Wang die Notwendigkeit eines Konsenses, und am nächsten Tag folgten auch die Vereinigten Staaten, indem sie sich gegen eine „künstliche“ Zeitfrist wandten. Die Vereinigten Staaten hatten ihre Erklärung zwar nicht mit China oder der Konsens-Gruppe abgestimmt, aber Washington war offensichtlich unzufrieden darüber, dass die Debatte über die Reform ohne große Mitwirkung der Vereinigten Staaten an Fahrt gewonnen hatte. Auf alle Fälle aber musste die Opposition zweier ständiger Mitglieder des Sicherheitsrats erhebliche Auswirkungen auf den Zeitplan des Generalsekretärs haben.

Am 9. April kam es in China zu antijapanischen Ausschreitungen, und am 11. April nahmen 119 Staaten an der Zusammenkunft der Konsens-Gruppe teil. Die Zahl der Teilnehmer reichte damit an die Zahl der Länder heran, die am 31. März an einer Zusammenkunft der G4 teilgenommen hatten (134 Staaten). Damit schienen sich die Aussichten für die Bestrebungen der G4 plötzlich verschlechtert zu haben. Tatsächlich aber ist es keineswegs ungewöhnlich, dass 119 Staaten an der Zusammenkunft der Konsens-Gruppe teilnahmen. „Konsens“ ist ein Begriff, der innerhalb der VN sehr geschätzt wird. Wenn mehrere wichtige Staaten ein Treffen abhalten und die Außenminister zur Teilnahme einladen, können kleinere Staaten dies schwerlich ablehnen. Viele der 119 Staaten hatten den G4 bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass sie an dieser Zusammenkunft teilnehmen würden. Die Kampagne der Konsens-Gruppe, Chinas Agieren und die fehlende Unterstützung durch die Vereinigten Staaten sind in der Tat große Hindernisse für Japans Streben nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Kleinere Staaten werden leicht von den Großmächten beeinflusst. Allerdings war diese Entwicklung kein Schock. Wäre ich Teil der chinesischen Regierung, hätte ich wahrscheinlich ähnlich gehandelt. Entscheidend ist, dass ich glaube, dass diese Hürden überwunden werden können.

Was qualifiziert ein Land für den Sicherheitsrat?
Meiner Auffassung nach sind die wichtigsten Qualifikationen für jedes Land, das ständiges Mitglied im Sicherheitsrat werden will - unabhängig von den vorhandenen oder fehlenden Qualifikationen der derzeitigen Mitglieder - der Wille und die Fähigkeit, einen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit in der Welt zu leisten.

Japans Leistungen, die es in den vergangenen sechzig Jahren als eine dem Frieden verpflichtete Nation erbracht hat, sind einmalig. Japan hat sich seit Kriegsende nicht ein einziges Mal an einem Krieg beteiligt und besitzt keinerlei Massenvernichtungswaffen. China dagegen war an einigen bewaffneten Konflikten beteiligt. Es ist im Besitz von Atomwaffen und hat tatsächlich eine bestimmte Zahl von Raketen auf Japan gerichtet. Von daher ist es wirkliche Ironie, wenn China seine „Furcht vor dem wiedererwachten japanischen Militarismus“ äußert.

Japan war zudem im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ausgesprochen aktiv, insbesondere in Ostasien. Etwa 20 % der gesamten Entwicklungshilfe der letzten zehn Jahre kam aus Japan. Ohne Zweifel hat die umfangreiche japanische Hilfe großen Anteil am bemerkenswerten Tempo des Wirtschaftswachstum und der Entwicklung in China, Südkorea, Taiwan und Südostasien während dieses Zeitraums gehabt.

Im Falle Chinas lag der Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung in der Infrastruktur. Ohne erhebliche Investitionen in diesem Bereich wäre die ökonomische Vitalität, die wir in diesem Land heute erleben, nicht möglich gewesen. Japanische Hilfen waren eine wichtige Finanzierungsquelle für den Bau der Flughäfen Beijing und Shanghai sowie zahlloser Schnellstraßen.

In den letzten Jahren sah sich Japan dazu veranlasst, seine Hilfsprogramme für das Ausland etwas zurückzufahren, da es sich nun um den Abbau seiner hohen Staatsschulden, die während der wirtschaftlichen Flaute in den neunziger Jahren weiter zunahmen, bemüht. Nichtsdestotrotz stellt Japan auch weiterhin effiziente und großzügige Unterstützung zur Verfügung, die von der Soforthilfe für die Opfer der Flutkatastrophe im Indischen Ozean vor einigen Monaten bis zur Lieferung großer Mengen von Moskito-Netzen nach Afrika im Kampf gegen die Malaria reicht. In den neunziger Jahren begann Japan, den Schwerpunkt seiner Auslandshilfe sowohl auf Afrika als auch auf Ostasien zu legen. Zahlreiche afrikanische Staatschefs haben an den verschiedenen Zusammenkünften der Tokyo International Conference on African Development (TICAD) teilgenommen und damit ihre große Wertschätzung für dieses Forum und Japans Afrika-Initiativen bezeugt.

Da Japan eine Haltung einnimmt, die seine große Verpflichtung für den Frieden deutlich macht, zögerte die Regierung lange Zeit, Truppen ins Ausland zu entsenden. Japan war zunächst nicht in der Lage, das Konzept, Frieden allein durch das Festhalten an den Idealen des Pazifismus zu erreichen, zu überwinden. Schließlich aber erkannten die Menschen in Japan doch, dass dieser Ansatz bei der Förderung des Friedens nicht unbedingt effektiv ist. Seit der Entsendung von Truppen nach Kambodscha 1992 im Rahmen der dortigen VN-Friedensmission beteiligt sich Japan aktiv an diesen friedenserhaltenden Operationen. Insgesamt sind Japans Leistungen als eine in hohem Maße dem Frieden verpflichtete Nation in den letzten sechzig Jahren nur schwer zu wiederholen.

China dagegen hat der Welt mit seinen jüngsten Aktionen seine wahren Absichten gezeigt. Die Bilder von Polizisten, die untätig zusahen, wie Demonstranten Steine auf diplomatische Vertretungen Japans warfen, waren weltweit zu sehen. Beijings Weigerung, auf Tokyos Protest zu reagieren und sich zu entschuldigen, steht im Widerspruch zur gängigen diplomatischen Praxis. Bei der Berichterstattung über die Zusammenkunft zwischen dem chinesischen Außenminister Li Zhaoxing und dem japanischen Außenminister Nobutaka Machimura übergingen die chinesischen Medien Tokyos Protest und berichteten über die Zitierung einer früheren Erklärung des vormaligen Ministerpräsidenten Tomiichi Murayama durch Außenminister Machimura. Sie erweckten so den Eindruck, als habe Tokyo sich zum ersten Mal entschuldigt. Manche mögen dies als wohlmeinende Anstrengung der chinesischen Regierung gewertet haben, die antijapanischen Gefühle im eigenen Land zu besänftigen. Tatsache bleibt jedoch, dass Beijing ohne weiteres über den Protest hätte berichten können und die Entschuldigung nicht hätte erwähnen müssen (tatsächlich war dies bisher die übliche Vorgehensweise Chinas gewesen). Dies ist die Art von Regierung, die in China regiert, und die jüngste Serie von Ereignissen hat diese Tatsache den Menschen in aller Welt vor Augen geführt. Im Westen beginnt sich die Stimmung zu ändern, und eine Reihe von Zeitungen haben die Proteste als „Angriffe“ bezeichnet.

Mit der Zeit wird die Dürftigkeit der Argumente der Konsens-Gruppe deutlich hervortreten. Nur sehr wenige der wirklich wichtigen Entscheidungen in der Weltgeschichte wurden im Konsens getroffen; so wurde Chinas Aufnahme in die VN 1971 mit 76 zu 35 Stimmen beschlossen. Für ein Land mit Vetorecht (mit anderen Worten: mit der Fähigkeit, den Konsens zu brechen) erscheint es ironisch, die große Bedeutung des Konsenses hervorzuheben. Auch die Behauptung der Konsens-Gruppe, die Aufnahme weiterer ständiger Mitglieder in den Sicherheitsrat sei undemokratisch, erscheint mit Blick auf manche Regierungen, die in einigen der Staaten dieser Gruppe bestehen, paradox.

Ist Japan seiner Verantwortung für den Krieg ausgewichen?
Wie dem auch sei, viele Medienkommentare über den Streit zwischen China und Japan beruhen auf der Vorstellung, dass Chinas Klagen über Japans Behandlung der Vergangenheit teilweise gerechtfertigt sind. Sind sie dies aber wirklich? Ich möchte diese Annahme näher untersuchen.

Beginnen wir mit der Kritik, dass Japan sich nie wirklich für seine Aggression gegenüber China und für seine Rolle im Zweiten Weltkrieg entschuldigt habe.

Krieg ist seit unvordenklichen Zeiten eine Geißel der Menschheit, die wir vielleicht niemals richtig ausrotten können. Wenn ein Krieg aber einmal ausgebrochen ist, muss er zu einem Ende gebracht werden. Dies beinhaltet typischer Weise erstens territoriale Konzessionen, zweitens die Bestrafung der Verantwortlichen und drittens die Zahlung von Reparationen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verzichtete Japan auf Taiwan, Korea, Sachalin, die Kurilen-Inseln und weitere Territorien. Vom Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten, allgemein Prozess von Tokyo genannt, wurden zahlreiche japanische Militärs wegen Kriegsverbrechen verurteilt (weitere Soldaten mit geringeren Vergehen wurden in anderen asiatischen Ländern vor Gericht gestellt). Die japanische Regierung leistete an Burma, Indonesien, die Philippinen und Vietnam Reparationen und zahlte zudem quasi Reparationen an Thailand, mit dem sich Japan niemals im Kriegszustand befunden hat.

Wenden wir uns nun Japans Beziehungen zu China nach dem Zweiten Weltkrieg zu. 1952 schloss Japan einen Friedensvertrag mit der Republik China. Damals hätte es die japanische Regierung vorgezogen, den Umfang des Vertrags auf das Gebiet zu beschränken, das die Republik China tatsächlich kontrollierte, d.h. Taiwan, um das Tor für die Aufnahme offizieller Beziehungen mit der Volksrepublik China, die 1949 auf dem Festland gegründet worden war, offen zu lassen. Letztendlich aber beugte sich Tokyo dem Druck aus Washington, erkannte die Regierung in Taipei als legitime Regierung ganz Chinas an und schloss einen entsprechenden Vertrag. Damals wurden auch Reparationen diskutiert, allerdings gab Taipei seine Forderungen nach Entschädigung auf, da Chiang Kai-shek größeren Wert darauf legte, seine Regierung als rechtmäßige Regierung von China anerkannt zu sehen. Mit anderen Worten, er stellte den politischen Nutzen über den wirtschaftlichen Nutzen.

Tokyo und Beijing nahmen 1972 diplomatische Beziehungen auf; dabei verzichtete auch die Volksrepublik auf Reparationen. Mao Zedong und Zhou Enlai erklärten, für den Krieg sei eine kleine Gruppe von Militaristen verantwortlich gewesen und nicht die einfachen Menschen in Japan. Sie wollten diese Menschen nicht bestrafen, indem sie ihnen Reparationen auferlegten. Die Japaner waren von dieser großzügigen Haltung beeindruckt, und Beijing erlangte die Anerkennung als rechtmäßige Regierung von China. Dies ist ein weiteres Beispiel für den Verzicht auf wirtschaftliche Vorteile zugunsten politischer Vorteile.

Auch wenn Japan keine Reparationen an China leistete, hat es seit Abschluss des bilateralen Friedens- und Freundschaftsvertrags im Jahre 1978 wirtschaftliche Hilfe in Höhe von mehr als drei Billionen Yen geleistet. Dies ist nicht das gleiche wie Kriegsreparationen, aber es ist genauso wenig normale Auslandshilfe. Es war das erste Mal, dass Japan einer Militärmacht, die im Besitz von Atomwaffen ist, Hilfe gewährte, und nicht jeder in Japan war darüber glücklich, ein kommunistisches Land zu unterstützen. Ein solches Programm hätte nur schwer verwirklicht werden können, wenn sich die Menschen in Japan nicht der Notwendigkeit einer Sühneleistung bewusst gewesen wären.

Japans Hilfe an China war bei der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes außerordentlich effektiv. Die chinesische Wirtschaft wird heute von ausländischen Investitionen angetrieben; aber ohne entsprechende Infrastruktur würden ausländische Unternehmen nicht investieren. Ein großer Teil dieser Infrastruktur aber wurde mit japanischem Geld geschaffen.

Der größte Teil der japanischen Hilfe für China wurde in Form von Krediten gewährt (allerdings leistete Tokyo auch ca. 140 Mrd. Yen an zinslosen und rückzahlungsfreien Zuschüssen). Jedoch mindert die Tatsache, dass die Hilfe aus Krediten besteht, nicht ihren Wert. Jedermann weiß um die große Bedeutung von Krediten zu günstigen Zinsen, wenn man ein Auto oder ein Haus kauft. Dies ist die Art von Hilfe, die Japan China gewährt hat, und China hat im Gegenzug seine Verbindlichkeiten stets ordnungsgemäß bedient. Der Erfolg eines Hilfsprogramms wird dadurch deutlich, dass es zur wirtschaftlichen Entwicklung des Empfängerlandes beiträgt und dass die Rückzahlungen in einem vernünftigen Zeitrahmen erfolgen. Nach beiden Kriterien ist Japans wirtschaftliche Hilfe für China ein voller Erfolg.

Gegenwärtig rufen die VN die führenden Industrieländer dazu auf, den Umfang ihrer offiziellen Entwicklungshilfe auf 0,7 % des BIP zu steigern. Ich stelle die Grundlage dieser Forderung in Frage. Es ist ausgesprochen schwierig, beständige Ergebnisse mittels Wirtschaftshilfe zu erreichen; aber wenn es um Hilfe geht, die zu wirtschaftlicher Entwicklung führt, können nur wenige Staaten bessere Ergebnisse vorweisen als Japan.

Hat Japan es versäumt sich zu entschuldigen?
China klagt regelmäßig, dass Japan sich niemals aufrichtig für sein Verhalten während und vor der Zeit des Zweiten Weltkriegs entschuldigt habe. Befassen wir uns mit dieser Frage einmal näher.

Zunächst einmal erscheint es mir so, dass die Annahme der Urteile des Prozesses von Tokyo durch Japan und seine umfangreiche wirtschaftliche Hilfe an China in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bereits für sich genommen eine Art Entschuldigung darstellen. Jedoch hat sich Japan darüber hinaus bei mehreren Gelegenheiten ausdrücklich entschuldigt: im Rahmen der Gemeinsamen Japanisch-Chinesischen Erklärung vom September 1972, im genannten Vertrag von 1978 und in der Gemeinsamen Japanisch-Chinesischen Erklärung von 1998 - China hat diese Entschuldigungen damals stets akzeptiert. Darüber hinaus erklärte Ministerpräsident Murayama anlässlich des fünfzigsten Jahrestages des Kriegsendes 1995:

Während eines Zeitabschnitts in nicht allzu ferner Vergangenheit hat Japan sich in seiner Politik geirrt; es hat den Weg in den Krieg beschritten und damit die Existenz seiner Menschen aufs Spiel gesetzt sowie durch seine Kolonialherrschaft und Aggression den Menschen in zahlreichen Ländern, vor allem in den asiatischen Nachbarländern, schweren Schaden und ungeheures Leid zugefügt. In der Hoffnung, dass ein solcher Fehler in der Zukunft nicht wieder auftreten wird, achte ich aufrichtig diese unzweifelhafte Tatsache der Geschichte und bringe bei dieser Gelegenheit erneut mein tiefes Bedauern hierüber zum Ausdruck und entschuldige mich hierfür von ganzem Herzen. Zugleich drücke ich allen Opfern, die diese Tatsache der Geschichte im In- und Ausland gefordert hat, mein tiefes Beileid aus.

Wenn dies keine eindeutige Entschuldigung ist, welche ist es dann? (Anmerkung des Herausgebers: Am 22. April dieses Jahres brachte Ministerpräsident Junichiro Koizumi in einer Rede vor Vertretern von mehr als achtzig Staaten anlässlich des Asien-Afrika-Gipfels im indonesischen Bandung eine Entschuldigung gleichen Inhalts zum Ausdruck.)

Manche beklagen sich, dass Japans Entschuldigungen nicht so eindeutig seien wie die Entschuldigungen Deutschlands. Wie aber kann man diese beiden Länder miteinander vergleichen? Deutschland hat sich für den Holocaust entschuldigt, das Vorhaben, eine ganze Rasse auszulöschen, ein beispielloses Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Nicht einmal die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, das System der sowjetischen Straflager unter Stalin oder die Massenmorde Pol Pots können mit dem Holocaust verglichen werden.

Und was ist mit anderen Staaten? Hat China sich für seine Invasion in Vietnam 1979 entschuldigt? Haben sich die Vereinigten Staaten oder Großbritannien für ihre Angriffe und Kriege in der Vergangenheit entschuldigt? Sicherlich sind mächtige Sieger nicht von der Verpflichtung ausgenommen, sich für Aggressionen in der Vergangenheit zu entschuldigen. Es liegt nicht in meiner Absicht, diese Staaten zu kritisieren, sondern allein die Natur des Krieges hervorzuheben. Auf alle Fälle ist die Behauptung, Japan habe sich nicht entschuldigt, offensichtlich falsch, und es trifft auch nicht zu, dass es sich nicht in einer Weise entschuldigt habe, die von einem Aggressor erwartet wird.

Verzerrt Japan die Geschichte?
Wenden wir uns als nächstes dem Vorwurf zu, Japan stelle die Geschichte nicht korrekt dar - die sogenannte Schulbuch-Problematik.

In Japan besteht ein Verfahren, mittels dem die in den öffentlichen Schulen verwendeten Schulbücher von der Regierung geprüft werden. Japan hat dieses Verfahren gewählt, weil es der Auffassung ist, dass es nichts Wichtigeres gibt als die freie Meinungsäußerung. Die wichtigste Ursache dafür, dass Japan in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts den Weg der Aggression und Expansion beschritt, war die fehlende Meinungsfreiheit. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache erstellt die Regierung keine eigenen Schulbücher, sondern erlaubt Herausgebern, diese nach eigenen Vorstellungen zu verfassen. Das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie prüft dann diese Bücher unvoreingenommen auf mögliche Fehler. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden acht verschiedene Lehrbücher für den Geschichtsunterricht an Mittelschulen und elf Lehrbücher allein für den Unterricht in Japanischer Geschichte in den Klassen der Oberschulen genehmigt. Welches dieser Bücher verwendet wird, liegt im Ermessen der einzelnen Schulen. (Unglücklicherweise verstehen viele Menschen in China dies nicht. Erst kürzlich war ich darüber überrascht, dass ein hochrangiger chinesischer Diplomat der Auffassung war, dass japanische Schulen Geschichtslehrbücher verwenden, die von der Regierung herausgegeben werden.)

Das Schulbuch, das jüngst die heftigste Kritik von Seiten Chinas und Südkorea auslöste, wird vom Verlag Fusosha herausgegeben. Dieses Schulbuch leugnet an keiner Stelle, dass Japan gegenüber anderen Staaten eine Aggression unternahm. Es erkennt an, dass Mandschukuo ein Marionettenstaat war, dass Japans Kolonialherrschaft über Korea brutal war und dass japanische Soldaten in Nanjing viele chinesische Soldaten und Zivilisten massakrierten. Als Gelehrter gestehe ich, dass ich einige Vorbehalte bezüglich des Inhalts dieses Schulbuchs habe. Aber der Vorwurf, dass es die japanische Aggression verherrliche, ist vollkommen ungerechtfertigt.

Es sollte hinzugefügt werden, dass, nachdem die vorherige Version des Textes von Fusosha genehmigt wurde, es gerade einmal von 0,1 % der Mittelschulen in Japan als Schulbuch ausgewählt wurde. Das ist das ganze Ausmaß seines Einflusses. Da die Proteste aus China und Südkorea dieses Buch jedoch in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt haben, hat auch das Interesse der Menschen in Japan zugenommen, und es dürfte nun mit hoher Wahrscheinlichkeit von weiteren Schulen verwendet werden.

Ein besonderer Gegenstand des Streits in Bezug auf die strittigen Schulbücher ist das „Massaker von Nanjing“. Chinesische und südkoreanische Kritiker beklagen, dass, obwohl die Bücher dieses Ereignis behandelten, es nicht angemessen dargestellt und zum Beispiel die Zahl der Opfer nicht genannt werde. Damit es kein Missverständnis gibt, möchte ich ganz klar sagen: Ich bestreite nicht, dass es ein Massaker in Nanjing gab. Aber der Grund, warum keine Zahl genannt wird, ist der, dass diese Zahl nicht bekannt ist. Manche sagen, dass zwischen 200 000 und 300 000 Chinesen massakriert wurden, jedoch wurden diese Zahlen bereits während des Prozesses von Tokyo in Frage gestellt. Seitdem haben Forscher diese Zahlen immer wieder bezweifelt. Ich möchte auf einige Punkte näher eingehen, die von Forschern angeführt werden.

1. Im Dezember 1937, unmittelbar vor dem Einmarsch der japanischen Armee in Nanjing, wurde die Bevölkerung im Stadtzentrum auf 200 000 bis 250 000 Menschen geschätzt. Etwa einen Monat nach den Kämpfen, nachdem die Ordnung wieder hergestellt worden war, war die Zahl der Menschen in diesem Gebiet jedoch höher. Wie kann dies mit der Schätzung von 200 000 - 300 000 Getöteten in Einklang gebracht werden?

2. 1940 setzte Japan die Regierung von Wang Jingwei in Nanjing ein. Wäre es den Japanern tatsächlich möglich gewesen, nach einem Massaker in dem behaupteten Ausmaß eine Marionettenregierung mit der Verwaltung zu betrauen?

3. Unter den Zeugenaussagen während des Prozesses von Tokyo war die eines Mannes, der behauptete, er sei dem Angriff der japanischen Soldaten gerade noch entkommen, habe sich in einer Höhle verborgen und von dort aus gesehen, wie die Japaner 57 418 Chinesen getötet hätten. Ist ein solcher Zeuge glaubwürdig?

4. Im Prozess von Tokyo wurde zudem die Aussage von zwölf Personen protokolliert, die behaupteten, sie hätten täglich 2 600 Leichen beseitigt. Ist dies angesichts dessen, was wir während des Krieges im Irak und anlässlich der Tsunami-Katastrophe vor einigen Monaten sehen konnten, in einer solchen Situation möglich ohne den Einsatz von Maschinen? Trotzdem wird diese Aussage als Tatsache angesehen.

Der japanische Oberbefehlshaber Ishine Matsui schrieb in sein Tagebuch, dass er geweint habe, als er hörte, dass japanische Soldaten Angriffe, Plünderungen und Vergewaltigungen begangen hatten. Dieser Eintrag beweist, dass solche Gewalttaten tatsächlich vorkamen, er zeigt aber auch, dass sie nicht geplant waren. Matsui wurde im Prozess von Tokyo für seine Rolle in Nanjing zum Tode verurteilt.

Auch andere tragen Verantwortung für das Massaker. Chiang Kai-shek hatte Tang Shengzhi, dem Oberbefehlshaber der Garnison von Nanjing, den Befehl gegeben, die Stadt zu verteidigen, obwohl er sehr gut wusste, dass sie nicht verteidigt werden konnte. Chiang selbst floh, kurz bevor die Stadt fiel. Normalerweise wird ein Befehlshaber sich ergeben, wenn die Niederlage unvermeidbar ist, um unnötige Verluste unter Soldaten und Zivilisten zu vermeiden. Und wenn der Oberbefehlshaber flieht, ist mit Sicherheit Chaos die Folge. Wenn er kapituliert, kann er selbst hingerichtet werden, aber das Leben von Soldaten und Zivilisten wird gerettet. 1945 wurden während des Kampfes um Okinawa sehr viele Zivilisten getötet, weil das japanische Militär nicht kapitulierte, als es dies hätte tun sollen. Das Militär sollte niemals Zivilisten in einen sinnlosen Widerstand hineinziehen. Bis zu einem gewissen Grad muss das gleiche auch über Chiang Kai-shek und Nanjing gesagt werden.

Es ist wahr, dass neue Dokumente über das Massaker aufgetaucht sind, wie etwa das Tagebuch von John Rabe. Aber Rabes Angaben müssen sorgfältig geprüft werden, da vieles davon auf Hörensagen beruht. Mir scheint, dass beide Länder sich an dieser Forschung beteiligen sollten.

Das Problem des Yasukuni-Schreins
Als Beweis dafür, dass Japan seine militaristische Vergangenheit beschönige, verweisen Kritiker auf die Besuche von Ministerpräsident Junichiro Koizumi im Yasukuni-Schrein, in dem die Gefallenen des Landes geehrt werden. Etwa 2,3 Mill. gefallene Soldaten werden in diesem Schrein geehrt, der im 19. Jahrhundert gegründet wurde. Viele Nationen ehren diejenigen, die für ihr Land starben, wie China selbst anerkennt. Die Kontroverse um den Yasukuni-Schrein dreht sich um die Kriegsverbrecher der Kategorie A, die hier geehrt werden.

Artikel 11 des Friedensvertrags von San Fransisco bestimmt, dass Japan die Urteile des Prozesses von Tokyo anzuerkennen hat. Japan hat die Urteile aus politischen Gründen akzeptiert, jedoch wäre es schwierig einen Gelehrten zu finden, der glaubt, dass dieser Prozess fair war. Zunächst einmal war er unter verfahrentechnischen Aspekten außerordentlich problematisch, da es keine angemessene Prüfung der Beweise, keine Gegenprüfung und keine höhere Berufungsinstanz gab. Und wie viele wirkliche Historiker glauben, dass dieser Prozess ein zutreffendes Bild von der Geschichte präsentierte? Der erste entscheidende Schritt im Verlauf der japanischen Aggression war die Besetzung der Mandschurei durch japanische Truppen. Trotzdem wurde General Kanji Ishihara, die zentrale Figur dieses Ereignisses, nie angeklagt. Der Grund dafür war, dass Ishihara sich später mit General Hideki Tojo, Japans Ministerpräsident während des Krieges, überworfen hat.

Das Gericht näherte sich allen Dingen aus amerikanischer Perspektive an. Es war politisch kalkuliert, Japans Verantwortung für den Krieg abschließend zu behandeln, damit das Land als Mitglied der internationalen Gemeinschaft rehabilitiert werden konnte. In diesem Kontext konnte keine zuverlässige historische Forschung stattfinden. Heute neigen Historiker dazu, diesen Abschnitt des Zweiten Weltkriegs als einen Krieg zu sehen, der seinen Mittelpunkt in Ostasien hatte; viele haben nahe gelegt, dass der Begriff „Krieg im Pazifik“, der die amerikanische Perspektive widerspiegelt, nicht ganz angemessen sei. Beim Prozess von Tokyo hingegen, der die Amerika-zentrierte Sichtweise der Geschichte widerspiegelte, wurden der Konflikt zwischen Japan und den Vereinigten Staaten und Hideki Tojo in den Mittelpunkt gestellt. Es ist merkwürdig, dass China und sogar Korea, die selbst gar keinen unmittelbaren Bezug zu den verurteilten Kriegsverbrechern der Kategorie A hatten, der Geschichtsversion des Prozesses von Tokyo soviel Glauben schenken.

Heute ist der Yasukuni-Schrein als „religiöse Körperschaft“ registriert (eine weitere Tatsache, die der bereits genannte chinesische Diplomat nicht kannte). Daher wäre es für den Staat außerordentlich schwierig, sich in seine Angelegenheiten einzumischen, ohne die von der Verfassung garantierte Freiheit der Religion zu verletzen.

Schließlich sollte noch betont werden, dass jedes Mal, wenn Ministerpräsident Koizumi den Yasukuni-Schrein besuchte, er öffentlich erklärte, dass er den Krieg für einen Fehler halte und dass er den Schrein nicht deshalb besuche, um die Kriegsverbrecher zu verehren, sondern um die unbekannten Soldaten zu ehren, die gezwungen wurden, in den Krieg zu ziehen und auf den Schlachtfeldern starben. Diese Erklärungen sind jedes Jahr im Fernsehen zu sehen. Wie können diese Besuche daher als Glorifizierung des japanischen Aggressionskrieges aufgefasst werden? Heute glauben in Japan manche, dass der Ministerpräsident diese Besuche einstellen sollte, solange sie zu Missverständnissen unter Chinesen und Südkoreanern führten. Aber nur wenige glauben, dass diese Besuche dazu dienen, die Aggression der Vergangenheit zu verherrlichen.

Für einen gestaltenden Dialog
Ich bin sowohl im Ausschuss für japanisch-chinesische Freundschaft im 21. Jahrhundert als auch im Gemeinsamen japanisch-südkoreanischen historischen Forschungsausschuss tätig. Meine eigene Sichtweise der Geschichte unterscheidet sich von derjenigen einiger anderer Japaner in diesen Ausschüssen und stimmt mit der einiger koreanischer Mitglieder überein. Man kann Menschen nicht dazu zwingen, dieselben Ansichten zu hegen. Jedoch ist es möglich, bestimmte Tatsachen zu klären, deren wir uns alle bewusst sein sollten und unnötige Missverständnisse auszuräumen. Dies mag nicht genug sein, um ein gemeinsames Schulbuch zu verfassen, aber es sollte ausreichen, um ein gemeinsames Nachschlagewerk zu erstellen. Daher wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn japanische und chinesische Forscher sich an einem gemeinsamen historischen Forschungsprojekt beteiligten, ähnlich dem, das japanische und südkoreanische Forscher in Angriff genommen haben (auch wenn dieses Projekt die angestrebten Ergebnisse erst noch hervorbringen muss).

Allerdings gibt es für ein solches Projekt eine Reihe von Bedingungen. Eine absolut notwendige Bedingung ist, dass das Projekt strikt wissenschaftlicher Methodik folgt und die geistige Freiheit und Unabhängigkeit der Forscher respektiert wird. Die Teilnehmer müssen bereit sein, Fakten gegenüberzutreten, die ihr eigenes Land oder ihre eigenen Theorien möglicherweise in ein schlechtes Licht stellen. Dies ist die Mindestanforderung für akademisches Vorgehen. Damit unmittelbar verbunden ist die zweite Bedingung: die Annäherung muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Eine Situation, in der die Japaner bereit sind, ihre Ansichten zu ändern, die Chinesen aber nicht, ist undenkbar.

Auch chinesische und südkoreanische Schulbücher haben ihre eigenen Probleme. Wie viel lernt man in chinesischen Schulen über den Großen Sprung nach vorn und die Kulturrevolution? In der Gedenkhalle in der Nähe der Marco-Polo-Brücke, die an den chinesischen Widerstand gegen die japanische Invasion erinnert, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Soldaten, die so heldenhaft kämpften, tatsächlich die nationalistischen Truppen Chiang Kai-sheks waren. Was das Hervorheben der Glanzpunkte seiner Geschichte und das Verschweigen der Schattenseiten angeht, kann Japan China nicht übertreffen.

Die dritte Bedingung für solch ein gemeinsames Forschungsprojekt wäre, dass daran auch Forscher aus anderen Ländern teilnähmen. Man könnte Forscher sowohl ehemaliger Kolonialmächte als auch früherer Kolonien zur Teilnahme einladen. Möglich wären u.a. Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, die Niederlande und Vietnam, aber auch Israel, Deutschland und die Vereinigten Staaten.

Es liegt mir fern, die historische Wahrheit von Japans Aggression gegen China und das dadurch bedingte große Leid zu leugnen. Es wird zweifelsohne mehrere Generationen dauern, um diese Geschichte zu überwinden. Nichtsdestotrotz müssen wir unsere Anstrengungen fortsetzen und die Fakten unabhängig von derartigen Gefühlen zu klären. Sollte eine solche Prüfung beweisen, dass mein eigenes Verständnis fehlerhaft war, werde ich meine Haltung bereitwillig ändern. Wie Martin Buber gesagt hat, verändert eine wahre Begegnung zwischen dem Selbst und dem Anderen beide für immer. Dies ist die Art von unmittelbarer Begegnung, die Japan und China nötig haben. Bislang hat Japan stets ein wenig gezögert, sich auf einen solch unmittelbaren Dialog einzulassen, aber diese Haltung muss es ablegen. Und als eine Großmacht mit entsprechender Verantwortung sollte auch China in der Lage sein, sich dieser Herausforderung zu stellen.
 


Dr. Shinichi Kitaoka
Promotion an der Universität Tokyo. Professor an der Rikkyo-Universität und an der Universität Tokyo. Zur Zeit stellvertretender Leiter der Vertretung Japans im Range eines Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu innen- und außenpolitischen Themen.
                        

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