Fußball ist eine
der Sportarten, die ich besonders liebe. An Sonntagen sieht man in den Parks
in Japan viele Kinder, die mit großer Begeisterung Fußball spielen,
zahlreiche Menschen sehen sich die Spiele der J-League an. Warum die
Menschen in Japan Fußball so lieben? Die Gründe dafür aufzählen ist nicht
einfach, aber aus Sicht der Fußball-Fans sind die folgenden denkbar.
1. Die Fußballweltmeisterschaft
Die Fußballweltmeisterschaft ist das größte Sportereignis der
Welt. Ein einziger Ball überwindet ethnische, kulturelle und religiöse
Unterschiede und verzaubert die Menschen weltweit. In Japan, das 1998
erstmals an der Fußball-WM teilnahm, hat die Zahl der Menschen, die sich auf
die Fußball-WM freuen, sprunghaft zugenommen.
2. Die Fußball-WM 2002 in Japan/Südkorea
Die Fußball-WM fand früher stets in Europa oder Amerika statt. 2002 kam
sie erstmals nach Asien. Dabei erreichte Südkorea als erste asiatische
Mannschaft überhaupt das Halbfinale, auch Japan schaffte es in die Endrunde.
Viele Japaner waren fasziniert davon, die besten Spieler der Welt live zu
erleben, nicht wenige sind deshalb Fußballfans geworden. Die besten
internationalen Mannschaften kamen damals nach Japan und in Kontakt mit den
Menschen vor Ort. Dieser internationale Austausch ist in den einzelnen
Regionen immer noch zu spüren.
3. Bundeskanzler Gerhard Schröder
Bei der Fußball-WM 2002 schaffte es die deutsche Mannschaft bis
ins Finale. Unmittelbar nach dem G8-Gipfel von Kananaskis ist Bundeskanzler
Schröder zu mir in das Flugzeug der japanischen Regierung umgestiegen, und
wir haben uns das Endspiel in Tokio gemeinsam angesehen. An unsere
Unterhaltung während des Fluges denke ich noch jetzt gern zurück.
4. Das „Drama von Doha“
Bei der Qualifikationsrunde zur Fußball-WM 1994 in den USA hätte Japan mit
einem Sieg im letzten Spiel gegen Irak der Weg nach Amerika offen gestanden.
Durch den Ausgleichstreffer der Iraker in der Nachspielzeit kam es nicht
dazu. Ganz Japan war damals sehr enttäuscht, man hat diese Niederlage später
das „Drama von Doha“ genannt. Gerade wegen dieser bitteren Niederlage wurden
in den vier Jahren danach im japanischen Fußball außerordentliche
Anstrengungen unternommen, die zur ersten WM-Teilnahme in Frankreich
führten.
5. Das „Wunder von Berlin“
Angeblich kam der Fußball erstmals 1873 nach Japan, als ein englischer
Marineausbilder diesen Sport japanischen Marinekadetten beibrachte. 1921
wurde der Vorläufer des heutigen Japanischen Fußballverbandes ins Leben
gerufen. Bei den Olympischen Spielen von 1936 in Berlin gelang es der
japanischen Mannschaft, die erstmals an einem internationalen Turnier
teilnahm, den Favoriten Schweden zu besiegen. Dieser Sieg war früher als
„Wunder von Berlin“ bekannt. Das internationale Debüt des japanischen
Fußballs fand also in Deutschland statt.
6. Dettmar Cramer
Für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele von 1964 in Tokio wurde
Dettmar Cramer, der spätere Trainer von Bayern München, eingeladen, um den
Fußball in Japan zu verbessern. Unter seiner Leitung gelang der japanischen
Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Tokio ein Sieg gegen die starken
Argentinier. Dettmar Cramer wurde von den Spielern liebevoll „Cra-san“
genannt. Er wird noch heute als Vater der japanischen Fußballausbildung
geliebt und verehrt. Um den japanischen Fußball weiterzuentwickeln,
propagierte Cramer mit Nachdruck die Schaffung einer landesweiten Liga nach
dem Vorbild der führenden Fußballregionen. Auf der Grundlage dieser
Empfehlung nahm 1965 die Japanische Fußballiga den Spielbetrieb auf. Bei den
Olympischen Spielen von 1968 in Mexiko schlug Japan den Gastgeber Mexiko und
gewann die Bronzemedaille.
7. Die japanischen Profi-Spieler
Der erste japanische Fußballspieler, der den Aufstieg zum Profi schaffte,
war Yasuhiko Okudera. Von seinem Heimatverein Kogawa Denko wechselte er 1977
als Profi zum Bundesligisten 1. FC Köln. Er spielte bis 1985 für
verschiedene Klubs in der Bundesliga. Heute spielen zahlreiche japanische
Spieler in führenden europäischen Vereinen u.a. in England, Schottland,
Frankreich sowie den Niederlanden. Dadurch nimmt auch in Japan die Zahl der
Fußballfans zu, die die japanischen Spieler in den europäischen Klubs
unterstützen. Das wiederum führt dazu, daß der internationale Fußball hier
immer mehr Beachtung findet. In der Bundesliga spielt derzeit Naoyasu
Takahara beim Hamburger SV.
8. Die J-League
Nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Mexiko
durchlief der japanische Fußball eine Phase der Stagnation, während der
keine Teilnahme an internationalen Turnieren wie der Fußball-WM gelang. Um
den Fußball neu zu beleben, war eine professionelle Liga unerläßlich, so daß
schließlich 1993 die „J-League“ gegründet wurde. Als Ideal schwebte der
J-League die Sportkultur in Deutschland vor – verschiedene Klubs im ganzen
Land, die über Stadien mit natürlichem Rasen und großzügige Vereinshäuser
verfügen. Diese Einrichtungen sollten auch den Heimatkommunen offen stehen,
so daß die Spieler in der Heimatregion verwurzelt sind und nicht nur
Fußball, sondern Sport insgesamt Spaß macht. Seit ihrer Gründung haben
bekannte europäische Spieler in der J-League gespielt. z. B. kamen Pierre
Littbarski und Guido Buchwald nach Japan, um die japanischen Fans mit ihrem
schönen Spiel zu begeistern. Guido Buchwald ist noch heute in Japan als
Trainer der Urawa Red Diamonds aktiv und leistet seinen Beitrag zur
Entwicklung des Fußballs.
9. Freiheit
Fußball wird in etwa zweihundert Ländern und Regionen gespielt. Weltweit
soll es 240 Mio. registrierte Fußballspieler geben, und die Menschen, die
sich am Fußball begeistern, sind kaum zu zählen. Zwar gibt es im Fußball
stets die Vorstellungen der Trainer und eine grundlegende Strategie, aber im
Spiel selbst können die Spieler eigene Ideen verfolgen und das Spiel
entscheidend mitgestalten. Verwechselt man aber Freiheit mit Eigensinn, dann
hört eine Mannschaft auf zu funktionieren. Aus dem freien Spiel, das die elf
Spieler einer Mannschaft zusammen mit dem Gegner ohne Unterbrechung
gestalten, entwickelt sich die Eigenart des Teams, die auch ein Spiegel der
Gesellschaft und Kultur des jeweiligen Landes oder der Region darstellt. Ich
denke, gerade dies ist es, was viele Menschen auf der ganzen Welt am Fußball
fasziniert.
10. Traum
Dieses Jahr fanden erstmals die Baseball Classics statt, um die beste
Baseballnation der Welt zu bestimmen. Es war Japan, das den ersten Titel
eines Weltmeisters im Baseball errang. Viele Menschen in Japan träumen von
dem Tag, an dem Japan auch beim weltweit größten Sportereignis, der
Fußballweltmeisterschaft, den Titel gewinnt. Zur Vorbereitung auf die
bevorstehende Fußball-WM hat ein Freundschaftsspiel zwischen Japan und
Deutschland stattgefunden; jedoch hoffe ich, daß beide Mannschaften später
noch einmal gegeneinander antreten – und zwar im Finale der Fußball-WM.
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