
Am 17. November ist „Yentown“ auf DVD erschienen. Und obwohl der
Streifen inzwischen zehn Jahre alt ist, hat die futuristische
Gesellschaftskritik des jungen Regisseurs Shunji Iwai nichts von ihrer
bitteren Aktualität verloren.
Die Szenerie mutet an, als wäre sie den klassischen „Mad Max“-Filmen
entlehnt – Japan als Mikrokosmos einer verwahrlosten Gesellschaft, in der
jeder sich selbst der nächste ist und Geld das einzige ist, was zählt. „Yentown“
– Bezeichnung eines Schrottplatzes, auf dem nicht nur ausgemusterte
Schrottautos, Müll und kaputte Geräte enden, sondern auch eine Gruppe
gestrandeter Menschen, die als mittellose Ausländer am Rande der
Gesellschaft leben.
Hier beginnt und endet die Geschichte des schüchternen Mädchens Ageha (Ayumi
Ito), die nach dem Tod ihrer Mutter von einer couragierten Prostituierten
namens Glico (die bekannte japanische Sängerin Chara) unter ihre Fittiche
genommen wird. Glico ist wie ihre Brüder aus Shanghai nach Japan gekommen,
um hier ihr Glück zu suchen. Was sie finden, ist eine mysteriöse Kassette
mit Frank Sinatras „My Way“, die ihnen unverhofft den Weg zum großen Geld
und gesellschaftlichem Erfolg verhilft...
„Yentown“ ist ein poetischer und gleichzeitig erschreckend realistischer
Film über die Sehnsüchte und Wünsche zweier Frauen, die wahrscheinlich kaum
verschiedener sein können und die auf ihre Art versuchen, aus dem, was ihnen
gegeben ist, das Beste zu machen. Glico sucht den Erfolg, den sie zumindest
kurzzeitig auch findet, und Ageha, das Mädchen, das sich von einer Raupe zum
Schmetterling entwickelt, sucht Solidarität und Menschlichkeit...
Sie wird damit nicht allzu viel Erfolg haben, da die Welt – auch außerhalb „Yentowns“
- von Geld und Machtstreben dominiert wird. Die Machenschaften brutaler
Yakuza auf der Jagd nach der unheilvollen Kassette, glatter Geschäftsleute
in ihrem skrupellosen Streben nach Geld und perspektivloser Straßenkids auf
der Suche nach Anerkennung, zeichnen ein Gesellschaftsbild Japans, das einen
Schaudern macht.
Regisseur Iwai schafft mit seiner Handkamera düstere und bedrückende Bilder.
Wenn sich Ageha, während sie sich tätowieren lässt, ihrer Kindheit erinnert,
findet der Film seine Schlüsselszene. Das von seiner Mutter, die einen
Freier bedient, in der Toilette eingeschlossene Mädchen versucht, einen
Schmetterling zu fangen, der sich in ihre triste Welt verirrt hat. Es
gelingt ihr nicht und als der Schwalbenschwanz droht, durch einen
Fensterspalt in die Freiheit zu entfliehen, tötet ihn das Kind. Der traurig
herabschwebende abgetrennte Flügel scheint Synonym für die an der Realität
zerbrochenen Träume.

|