“Es
ist wohl noch nie in der Geschichte Hollywoods so viel Rühmendes und
historisch Erhellendes über einen Film geschrieben worden, den so wenige
Amerikaner sehen wollten“, schrieb Uwe Schmidt (Berliner Morgenpost) anhand
eines Einspielergebnisses von lediglich 5,8 Millionen Dollar am
Startwochenende in den Staaten. Der Film von dem hier die Rede ist, ist
Clint Eastwoods Zwillingsfilm zu „Flags
of our Fathers“ - „Letters from Iwo Jima“.
Das ist schade, aber auf eine Weise auch verständlich. Das Projekt, ein und
dasselbe Sujet von zwei Seiten, in diesem Falle von zwei sich feindlich
gegenüberstehenden Standpunkten, aus zu beleuchten, ist bislang einmalig und
somit quasi revolutionär. Und eher selten werden
Pioniertaten sofort und umstandslos als solche goutiert. Das ist sicherlich
das eine. Das andere ist, dass Eastwoods Film sich nicht nur den Standpunkt
des ehemaligen Gegners Japan zu eigen macht, sondern auch dessen Sprache.
„Letters from Iwo Jima“ ist fast ausschließlich in Japanisch gedreht, was
für die meisten Kinogänger, nicht nur in den Vereinigten Staaten, eher
gewöhnungsbedürftig ist. Nun sind das zwei Seiten ein und derselben Medaille:
das, was den Film so authentisch macht, macht ihn schwer verdaulich. Und das
ist er tatsächlich.
Wie
auch schon „Flags of our Fathers“ ist „Letters from Iwo Jima“ durchweg in
Grautönen gehalten; beängstigend gleichförmig und trostlos wirkt die
Insellandschaft und die sie umkämpfenden Protagonisten. Nur durch das Rot
des Blutes wird der graue Schleier mit einer Intensität aufgerissen, dass es
weh tut. Die Sinnlosigkeit des Krieges ist wohl nie deutlicher vor Augen
geführt worden, als durch die wertungsfreie Gegenüberstellung von Heldentum,
Pathos, Brutalität und Angst auf den beiden sich bekämpfenden Seiten. Es ist
ein Verdienst Eastwoods, dem „Feind“ mit General Kuribayashi (Ken Watanabe),
Baron Nishi (Tsuyoshi Ihara) und dem Bäcker Saigo ( Kazunari
Ninomiya) ein Gesicht und mit diesem dem Zuschauer die Gelegenheit gegeben
zu haben, mitfühlen zu können. Vielleicht bedurfte es dieser kaum bewohnten
Vulkaninsel, um die sich in Friedenszeiten niemand geschert hätte, um wie
durch ein Brennglas das Absurde, Anonyme und Unmoralische des Krieges
deutlich zu machen. Fanatische japanische Soldaten, die sich um ihrer Ehre
willen mit Handgranaten zerfetzen; US-Amerikaner, die Kriegsgefangene
erschießen, da es am bequemsten scheint; ein japanischer Offizier, der den
Brief der Mutter eines tötlich verwundeten US-Marine
vorliest; ein sterbendes Pferd und ein getöteter Hund – unvergessliche
Szenen und Bilder, die an den Mut zur Menschlichkeit eines jeden einzelnen
auch unter schlimmsten Bedingungen appellieren. Und die zeigen, dass
Menschlichkeit nicht damit zu tun hat, auf der „richtigen“ oder „falschen“
Seite zu stehen.
|