
NaJ: Frau
Cadot-Knorr, Sie waren eingeladen zu einer 12-tägigen Studienreise vom
Japanischen Außenministerium zusammen mit jungen Leuten aus ganz vielen
anderen europäischen Nationen. Sie haben ja auch einen kleinen, fast
poetischen Reisebericht direkt nach Ihrer Rückkehr geschrieben, der auf der
Homepage der Botschaft veröffentlicht ist. Inzwischen sind vier Monate
vergangen, was ist denn Ihr Eindruck im Nachhinein? Was ist am besten im
Gedächtnis geblieben?
Ulrike Cadot-Knorr: Ich bin eigentlich
immer noch sehr fasziniert und möchte noch mehr wissen über das Land, z.B.
lese ich auch gerade japanische Literatur in Übersetzung.
Was mir sehr am Herzen liegt ist Hiroshima. Einerseits hat mich die Stadt
selbst sehr bewegt, vielleicht weil sie wie meine Heimatstadt Dresden im
Krieg sehr zerstört worden war.
Ein wichtiger Punkt für mich war aber auch der dortige 24-stündige
Aufenthalt in einer Gastfamilie. Ich habe gerade ein Paket von ihnen
bekommen und hoffe, dass der Kontakt auch weiterbestehen wird.
NaJ: Wie war denn
das so ohne japanische Sprachkenntnisse?
Cadot-Knorr: Ich war in einer Familie
mit einem 9-jährigen Mädchen und mit Kindern ist die Kommunikation sowieso
leichter. Mayuki hat z.B. für mich Origami (Papierfalten) gebastelt. Maki,
die Gastmutter, konnte aber auch Englisch. Es wird immer gesagt, dass die
Japaner sehr viel Abstand halten, aber zwischen uns war sofort ein Kontakt
da. Wir haben uns viel ausgetauscht über Deutschland und Japan, wir waren
auf einem lokalen Herbstfestival und z.B. einfach in einem Supermarkt
einkaufen.
Am nächsten Tag durfte ich sogar mit in die Schule gehen. Das war eine ganz
spannende Erfahrung! Maki hatte mich angemeldet und für mich auch ein Paar
Pantoffeln mitgebracht [Auch in den Schulen wechseln die Kinder am Eingang
von den Straßenschuhen in Hausschuhe]. Ich habe in Mayukis Klasse ein
bisschen was über Deutschland erzählt und dann gefragt, was bzw. wen sie aus
Deutschland kennen. Alle kannten Oliver Kahn. Mich haben sie z.B. gefragt,
was ich gern für Sport mache und dann habe ich erzählt, dass man in
Deutschland viel Rad fährt und dass ich auch Yoga mache, und gleich wollten
sie, dass ich etwas vorführe, na und dann haben wir alle zusammen eine Yoga-Übung
gemacht!
Besonders geprägt hat mich aber auch der letzte Abend bei einem
Trommelverein, der erst für uns ein Konzert gegeben und hinterher für uns
gekocht hat, und mit denen wir dann noch zusammen Karaoke gesungen haben.
Das war irgendwie fast ein magischer Moment: Wir sind in Kontakt gekommen
trotz der unterschiedlichen Sprachen; sie haben japanische und wir englische,
italienische oder deutsche Lieder gesungen.
NaJ: Gab es
wirklich auch ein deutsches Lied?
Cadot-Knorr: Ja, 99 Luftballons!
NaJ: Haben Sie
auch selber getrommelt?
Cadot-Knorr:
Ja das war sehr spannend! Wir wurden richtig „verkleidet“ mit den
traditionellen japanischen Westen [happi] und einem Stirnband [hachimaki]
und durften dann ein Stück gemeinsam mit der Gruppe performen ... was nicht
so einfach war mit dem Rhythmus und der Motorik.
NaJ: Sie waren ja
auch an der Tokyo University of Foreign Studies und haben sich in kleinen
Gruppen mit japanischen Studierenden ausgetauscht. Was wurde da diskutiert?
Cadot-Knorr: Es gab vorbereitete Themen,
aber wir hatten alle mehr Lust uns so zu unterhalten.
Vor allem: „Was sind unsere Ideale, was wollen wir in unserem Leben
erreichen?“
NaJ: Gab es große
Unterschiede?
Cadot-Knorr: Sie haben uns erst mal
zurecht gerückt über Japan, weil man viel hört über Manga und Cosplay und
so. Sie haben uns erklärt, dass nicht alle so rum laufen ...
Beruflich schienen sie ambitionierter zu sein als europäische Jugendliche.
NaJ: Inwiefern
hat sich ansonsten Ihr Japanbild geändert?
Cadot-Knorr: Ich würde nicht sagen „geändert“,
weil ich gar keins hatte, sondern es ist vielleicht ein bisschen schärfer
geworden.
Nun, einerseits haben sie diese Disziplin und andererseits gibt es kleine
Momente, wo sie ganz aus sich rausgehen.
NaJ: Meistens
müssen sich Europäer von Japanern fragen lassen, wie sie mit dem praktischen
Leben in Japan klar kommen. Wie war das für Sie?
Cadot-Knorr: Da habe ich eine
interessante Erfahrung mit meiner Gastmutter in Hiroshima gemacht: Als ich
ihr sagte, dass ich interessant finde, wie man das Moderne mit dem alten
Japan verbindet, sagte sie, nein, nein, nicht modern - nur praktisch!
Die
Wohnung meiner Gastfamilie war auch europäisch eingerichtet – bis auf einen
fast leeren Tatami-Raum und das Bad, diese Nasszelle, in der man sich vorher
duscht und seift und dann sauber in die Wanne steigt. Wir sind also alle
nacheinander in dasselbe heiße Wasser gestiegen – als Gast durfte ich zuerst
...
NaJ: Was werden
Sie am meisten vermissen?
Cadot-Knorr: Es war ein sehr netter
Umgang miteinander in Japan. Mehr Respekt und sehr viel Höflichkeit! Da
könnten die Deutschen ein bisschen mehr Anstrengung machen. Sicher kann man
sich streiten, das sei ja alles nur aufgesetzt, aber letztlich ist es
einfach angenehmer.
NaJ: Gab es
irgendeine Vorbereitung oder sind Sie komplett ins kalte Wasser gesprungen
und haben sich irgendwann hilflos gefühlt?
Cadot-Knorr: Wir hatten das Programm
relativ zeitig bekommen mit Erklärungen zu den einzelnen Stationen. Dann
hatte ich eine Preisliste, die ich sehr praktisch fand.
Und vor Ort wurden wie so super betreut - die haben uns jeden Wunsch erfüllt!
NaJ: Innerhalb
des offiziellen Programms ist ja alles inklusive, wie viel Taschengeld
brauchte man denn darüber hinaus?
Cadot-Knorr: Man musste ein bisschen
Geld für die U-Bahn einplanen und wenn man abends etwas essen oder trinken
gehen wollte. Mit 150,- Euro kam man aber nur nicht aus, wenn man an den
iPods etc. nicht vorbeikam ...
Es war wirklich eine Reise, die mich geprägt hat. Diese bunt gemischte
Gruppe aus lauter Europäern hat eine wahnsinnige Dynamik gegeben, alle waren
hoch motiviert! Wir wurden überall ganz herzlich empfangen; es wurde
wahnsinnig viel gezeigt ... also: danke!
NaJ: Vielen Dank
für das Gespräch!
Alle Fotos (c) Ulrike Cadot-Knorr
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