Shodo oder Kalligraphie mittels eines Schreibpinsels und schwarzer
Tusche ist eine der traditionellen Künste Japans. Da es dieser Kunstform an
Farbigkeit fehlt, wurde shodo bisher eher als nobler Zeitvertreib vor
allem für Ältere betrachtet. In den letzten Jahren aber ist eine neue
Generation von Kalligraphen aufgetreten, welche die Grenzen der Tradition
überschreiten. Sie bilden heute die Avantgarde eines neuen Booms in shodo.
Erneuerung einer alten Kunst
Shodo ist für den durchschnittlichen Japaner eine durchaus vertraute
Kunst, da die Grundlagen des Schreibens mit Pinsel und Tusche bereits in der
Grundschule gelehrt werden. Früher war es zudem üblich, dass Kinder
Privatunterricht in Kalligraphie nahmen. Heute allerdings ist die Zahl
dieser Privatklassen zurückgegangen, einmal weil die Zahl der Kinder in
Japan abnimmt, dann aber auch, weil immer weniger Kinder sich regelmäßig in
Kalligraphie üben. Auch für Erwachsene besteht im Zeitalter von Computern
und Mobiltelefonen nur noch wenig
Gelegenheit, mit dem Pinsel zu schreiben,
so dass man annahm, das Interesse an shodo werde allmählich
zurückgehen.
Angesichts dieser Entwicklung haben jedoch junge Kalligraphen zwischen
Zwanzig und Vierzig der Welt des shodo vermittels unkonventioneller
Formen neues Leben eingehaucht. Shodo bringt durch feine Unterschiede
bei der Strichführung des Pinsels eine unendliche Vielfalt von Empfindungen
zum Ausdruck - etwa strenge Einfachheit oder Empfindlichkeit. Den heutigen
Menschen, die an gedruckte Schriftzeichen gewöhnt sind, bietet dies eine
willkommene Abwechselung, so dass shodo sowohl als Mittel zum
Selbstausdruck als auch als Kunstform neu bewertet wird.
Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten
Einer der am meisten beachteten jungen Kalligraphen ist Takeda Soun, der für
sein „Performance shodo“ bekannt ist. Takeda führt shodo auf
der Bühne zu Live-Musik, z.B. Klavier, Saxophon oder japanische Trommeln,
vor. Er ist bereits in Moskau, Brüssel und anderen Städten im Ausland
aufgetreten und engagiert sich weiterhin im Rahmen seiner künstlerischen
Aktivitäten, bei denen er den Blick auf die weite Welt richtet.
Kunishige Tomomi hat derweil die von ihr so bezeichneten ei kanji
entwickelt, was wörtlich übersetzt „Englische Kanji“ bedeutet. Wie
der Name
andeutet, stellen diese eigenständigen Schriftzeichen eine Vereinigung
westlicher („englischer“) Buchstaben mit den kanji dar. So besteht
z.B., was auf den ersten Blick als kanji-Schriftzeichen für „Meer“
oder „Liebe“ aussieht, tatsächlich aus Bestandteilen, die an die Buchstaben
der entsprechenden englischen Wörter erinnern. Kunishige erfährt zunehmend
internationale Anerkennung und hat bereits Ausstellungen in Japan und im
Ausland präsentiert.
Weitere junge Kalligraphen folgen, etwa Yabe Chosho, ein früherer
Büroangestellter, der 2006 in Spanien auftrat. Diese Künstler treten mit
einer großen Vielfalt einzigartiger Werke hervor und weiten den Rahmen ihrer
künstlerischen Tätigkeit immer weiter aus.
Das Interesse der Öffentlichkeit nimmt angesichts des Erfolgs dieser
Kalligraphen zu. Vor kurzem wurde ein Fernsehprogramm ausgestrahlt, das
Oberschülerinnen zeigte, wie sie sich auf einen Shodo-Wettbewerb
vorbereiten. Auch nimmt die Zahl derjenigen Menschen, die Privatstunden in
shodo nehmen und auf diese Weise das einst in ihrer Kindheit Gelernte
auffrischen, wieder zu. Der Boom in shodo breitet sich langsam aber
sicher aus.
(c) 2007 Web Japan
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