Für die heutige Einladung möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
Mir wurde berichtet, dass das Middle East Research Institute of Japan etwa
zur gleichen Zeit gegründet wurde wie die Liberaldemokratische Partei. Von
den Tagen seiner Gründung bis zu seinem jetzigen Leiter Reijiro Hattori
waren die Persönlichkeiten, die diesem Institut vorstehen, stets Personen
von hohem Ansehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Wirtschaftskreise große
Erwartungen in Bezug auf dieses Institut hegten und weiter hegen.
Heute möchte ich mich darüber äußern, was ich selbst für unsere
Leitprinzipien bei Japans Politik im Mittleren Osten für die nächsten Monate
und Jahre halte.
Der Bogen der Freiheit und Prosperität
Vor genau drei Monaten sprach ich über das Thema der Gestaltung eines „Bogens
der Freiheit und Prosperität“. Bei diesem Anlass formulierte ich ein neues
Prinzip für Japans Außenpolitik.
Die Gestaltung dieses Bogens bedeutet das Hervorheben allgemein gültiger
Werte wie Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in
einem Gebiet, das sich geographisch am äußeren Rand des eurasischen
Kontinents erstreckt. Dieses Vorgehen basiert auf den Erfahrungen, die wir
Japaner als Resultat unserer eigenen Anstrengungen über viele Jahre hinweg
gemacht haben.
Ich habe diese Idee in meiner Rede anlässlich der Eröffnung der derzeitigen
Sitzungsperiode des Parlaments erneut hervorgehoben und sie als neue Achse
für Japans Außenpolitik eingeführt.
Was genau halten wir in unserem Leben für wichtig? Wenn wir diese Werte in
Worte fassen, definieren wir uns dahingehend, was wir sind und was wir sein
wollen.
Auf diese Art und Weise stellt die Gestaltung eines Bogens der Freiheit und
Prosperität meiner Auffassung nach für Japan den Versuch dar, sich selbst zu
definieren.
In manchen Staaten oder Regionen im Mittleren Osten wird man den Worten „Freiheit
und Prosperität“ womöglich mit einigem Argwohn begegnen. Allerdings bin ich
zuversichtlich, dass die Art, wie Japan sich dieses Prinzip vorstellt, von
allen akzeptiert werden kann.
Ich möchte die Menschen im Mittleren Osten - und damit meine ich die Region
des Mittleren Ostens im weitesten Sinne, nämlich von Afghanistan bis
Nordafrika - wissen lassen, was genau Japan als unersetzlich ansieht. Und
ich möchte, dass die Menschen im Mittleren Osten eines Tages die gleichen
Ideale haben wie wir. Das ist meine Hoffnung.
Worte des Heilens, um den verletzten Stolz zu lindern
Während es stets gut ist, anderen gerade heraus zu vermitteln, wer wir sind,
besteht die Grundregel der Diplomatie darin, dass man in der Außenpolitik
nichts erreicht, ohne das Verständnis der anderen Seite zu erlangen.
Dies im Hinterkopf behaltend, möchte ich mir für einen Moment vorstellen,
wie es wäre, wenn ich im Mittleren Osten geboren wäre, den Islam als meine
Religion angenommen hätte und heute in der Region leben würde.
Soweit ich die islamischen Gläubigen kenne, können wir zum Beispiel sagen,
dass Muslime ihre Kinder nicht weniger lieben als andere Menschen auch.
Wenn ich daher an ihrer Stelle wäre und sähe, wie unschuldige Kinder durch
Terroranschläge getötet werden, dann wären es wir Moslems, die darüber am
meisten empört und aufgebracht wären. Manchmal würden wir in unserer
Empörung unsere Stimme erheben und zum Ausdruck bringen, dass es Terroristen
nicht zusteht, sich selbst als Muslime zu bezeichnen.
Und doch ist es eine Tatsache, dass manchmal die Lehren des Islam oder die
islamischen Gläubigen in bestimmten Fällen in den gleichen Farben
dargestellt werden wie Terroristen. Ich würde daher mehr als einmal daran
denken, zum Ausdruck bringen zu wollen, dass wir vom Rest der Welt
missverstanden werden.
Wenn man sich mit Geschichte beschäftigt, wird einem schnell klar, dass der
Mittlere Osten im Verlauf der Weltgeschichte eine Region war, in der die
Kulturen des Ostens und Westens miteinander verschmolzen sowie sich
gegenseitig verfeinerten und so die Grundlagen der modernen Zivilisation
hervorbrachten. Es ist daher selbstverständlich, dass die Menschen des
Mittleren Ostens auf diese Geschichte außerordentlich stolz sind.
Wenn man sich dagegen die Moderne anschaut, dann sieht es so aus, als wären
die Dinge nicht so gut gelaufen. Der Mittlere Osten wird meiner Ansicht nach
dadurch charakterisiert, dass viele Menschen dort gerade von dieser
Entwicklung frustriert sind.
Ist es daher nicht so, dass die Menschen im Mittleren Osten in ihren Herzen
nach Worten suchen, die ihren Schmerz über diesen verletzten Stolz lindern?
Ich denke, dass der erste Baustein in Japans Außenpolitik für den Mittleren
Osten ein ausgeprägtes Gespür für diese Empfindlichkeiten sein muss.
Schließlich halte ich es für wichtig, deutlich zu machen, dass wir Japaner
Terrorismus verabscheuen, aber keineswegs die Muslime hassen.
Der Mittlere Osten als „Ginza 4-chome“ der Außenpolitik: Drei
Gründe
Nach dieser längeren Einführung möchte ich nun zu meinem eigentlichen
Anliegen kommen.
Als jemand, der mit der Mehrung der Prosperität Japans für unsere Kinder und
Kindeskinder betraut ist, kann ich die außerordentlich große Bedeutung des
Mittleren Ostens für Japan nicht hoch genug einschätzen, da diese Region uns
mit so wertvollen Ressourcen versorgt.
Bei der Aufstellung der Prinzipien unserer Politik für den Mittleren Osten
muss ich als erstes meine Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, unser
Engagement in dieser Region nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern
auch auf politischer Ebene zu vertiefen.
Ich werde darauf später noch in diesem Vortrag konkret eingehen, aber ich
glaube, dass wir jede Gelegenheit nutzen müssen, um die Zahl der
gegenseitigen Besuche auf hoher Ebene und von führenden Persönlichkeiten
deutlich auszuweiten.
Für Japan sind die Themen des Mittleren Ostens - wie es einmal jemand
treffend ausgedrückt hat - „Pflichtfächer“ auf dem Gebiet der Außenpolitik.
Wenn ich dieses Konzept mit eigenen Worten beschreiben müsste, würde ich
sagen, dass in der Welt der Diplomatie der Mittlere Osten das Gegenstück zur
altehrwürdigen „Ginza“ ist, dieser beliebten Einkaufsmeile im Herzen Tokyos,
die seit nunmehr über hundert Jahren das erste Ziel für alle ist, die zum
ersten Mal vom Land nach Tokyo kommen. Der Mittlere Osten ist die Region, in
der andere unsere Fähigkeiten auf dem Gebiet der Außenpolitik einschätzen.
Lassen Sie mich heute drei Gründe dafür anführen, warum es richtig ist, dem
Mittleren Osten einen derart hohen Stellenwert einzuräumen.
Erster Grund
Der erste Grund hängt mit den Ölvorkommen zusammen.
2006 kamen 89,2 % des von Japan importierten Rohöls aus dem Mittleren Osten,
wobei die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates (GCC) allein für 76,4 %
der gesamten Importe verantwortlich waren.
Wenn man zu diesen Fakten die aufstrebenden Länder China und Indien nimmt,
die bereits heute zu etwa 40 % bzw. 60 % von Ölimporten aus dem Mittleren
Osten abhängen, dann wird deutlich, dass aus Sicht des Mittleren Ostens sich
der Ölmarkt für die nächste Zukunft als ein extremer Verkäufermarkt
gestalten wird. Als Ölkonsument muss Japan daher eine deutlich sichtbare
Präsenz im Mittleren Osten bewahren.
Wenn wir allerdings den Blick auf die weltweiten Ölreserven richten, dann
werden in Zukunft nicht nur Länder wie China und Indien, sondern tatsächlich
die ganze Welt in zunehmendem Maße von den Erdöl fördernden Ländern im
Mittleren Osten abhängig sein. Je mehr die Welt wegen ihrer Ölimporte auf
den Mittleren Osten angewiesen ist, desto wichtiger wird die Stabilität im
Mittleren Osten für die Zukunft. Etwas anderes ist eindeutig nicht möglich.
Dies ist der erste Grund, den ich heute anführen möchte.
Zweiter Grund
Der zweite Grund, warum der Mittlere Osten von so großer Bedeutung ist,
hängt mit den unerwartet guten Aussichten zusammen, die sich heute für die
Region auftun.
Wir denken gewöhnlich, dass sich der Mittlere Osten in einem Zustand des
fortwährenden Chaos befindet. Stattdessen möchte ich hier die Auffassung von
Hiromasa Yonekura, Präsident der Sumitomo Chemical Company, Ltd. vor dem
Hintergrund anführen, dass Sumitomo Chemical gerade ein Joint Venture mit
dem Unternehmen Saudi Aramco zur Errichtung des weltweit größten
integrierten Raffinerie- und petrochemischen Komplexes abgeschlossen hat. Er
könnte uns eine ganz andere Geschichte darüber erzählen, wie reizvoll es ist,
in dieser Region tätig zu sein.
Das Rabigh-Projekt von Sumitomo Chemical in Saudi-Arabien hat wahrlich einen
gigantischen Umfang. Die Kosten werden sich auf insgesamt 1,1 Billionen Yen
belaufen. Allein die Versorgung mit Elektrizität, Dampf und Trinkwasser
erfordert große Anstrengungen, für die Mitsubishi Heavy Industries, Ltd.
verantwortlich zeichnet. Als Projekt, bei dem zahlreiche Sparten innerhalb
der einzelnen Unternehmensgruppen involviert sind, ist dieses extrem „heiße“
Projekt, das derzeit in der glühenden Hitze Saudi-Arabiens in Angriff
genommen wird, dergestalt, dass es sich in einigen Jahren zu einer großen
Erfolgsgeschichte entwickeln wird.
In der Golfregion sind derart großformatige Projekte heute keineswegs
ungewöhnlich; daher ist gerade jetzt die beste Zeit, um diese „ganz Japan
umfassende“ außenpolitische Kompetenz, die auch den Privatsektor mit
einschließt, im Mittleren Osten zur Geltung zu bringen.
Dies ist ein weiterer eindeutiger Aspekt des Mittleren Ostens. Die
Unterstützung japanischer Unternehmen, die sich daran machen, diese
Gelegenheit beim Schopf zu packen, wird außerordentlich positive
Auswirkungen auf unsere nationalen Interessen haben.
Der Mittlere Osten am Scheideweg: Stabilität oder Chaos?
Dritter Grund
Der dritte Grund, den ich anführen möchte, ist der wichtigste von allen und
einer, den Sie bereits gut kennen.
Es ist meine feste Überzeugung, dass die Region des Mittleren Ostens als
Ganzes an einem wichtigen Scheideweg angelangt ist. Nämlich die Frage, ob
die Region den Weg in Richtung Stabilität einschlägt oder einer Spirale
folgt, die sie ins Durcheinander und Chaos hinabzieht.
In der Vergangenheit wurden die einzelnen Fragen weiträumig voneinander
abgegrenzt. So war das Thema Frieden im Mittleren Osten ein Thema
für sich; das Thema Irak war ein weiteres eigenständiges Thema und die
Themen in Bezug auf Iran waren wieder mehr oder weniger eigene Themen. Seit
dem Sturz von Saddam Hussein jedoch hat sich die Machtbalance verändert, so
dass diese Themen heute durch eine Vielzahl von gegenseitigen Auswirkungen
und Interaktionen miteinander verbunden sind.
Als Ergebnis dessen wird sich zumindest in bestimmten Teilen des Mittleren
Ostens die Situation zunehmend dahingehend entwickeln, dass die künftige
Ordnung schwer vorherzusehen ist. Dann wäre es extremistischen Gruppierungen,
die sich von der ursprünglichen Form der Religion entfernt haben, möglich,
ihre Macht auszuweiten und das Durcheinander noch zu verstärken.
Errichten von Pfeilern der Stabilität für eine weniger unbeständige
Ordnung
Ich möchte versichern, dass hierin die Antwort auf die Frage liegt, warum es
für Japan von so großer Bedeutung ist, sein politisches Engagement im
Mittleren Osten auszubauen.
Damit meine ich, dass es unbedingt erforderlich ist, die Stabilität in der
Region maximal zu sichern und zu verstärken, um so eine ruhigere und
stabilere Ordnung zu gestalten. Dies können wir erreichen, indem wir Japans
wirtschaftliche, geistige und außenpolitische Ressourcen in vollem Umfang
bei dem nutzen, was ich als „ganz Japan umfassendes“ Engagement bezeichne.
Wenn ich hierüber mit den Arabisten in meinem Ministerium oder unseren
Experten, die Persisch, Türkisch oder Hebräisch sprechen, rede, dann möchte
ich, dass sie voller Erwartung und Aufregung sind darüber, was dies
impliziert. Nämlich, dass die Aufgabe, vor der wir jetzt stehen, darin
besteht, bei der Schaffung von Stabilität in der Region des Mittleren Ostens
zu helfen - eine Aufgabe, die in der Geschichte der Welt von wahrlich großer
Bedeutung ist.
Ein Korridor für Frieden und Prosperität
Innerhalb der enormen Bedeutung, die dem Friedensprozess im Mittleren Osten
zukommt, kann das Engagement für eine ständige friedliche Koexistenz
zwischen Israelis und Palästinensern nicht genug betont werden.
Falls die Ordnung innerhalb der Region durch diese Frage als seismisches
Zentrum durcheinander geriete - oder im Gegenteil ein Maximum an Stabilität
erreichte - würde daraus ein sich multiplizierender Effekt entstehen, der
Implikationen für die ganze Region hätte.
In den Friedensprozess im Mittleren Osten ist neue Bewegung gekommen. In den
Palästinensergebieten nimmt eine Regierung der nationalen Einheit nun
endlich Gestalt an. Ich denke, dass wir diese Bewegung verstärken müssen,
indem der Besuchsaustausch auf hoher Ebene zwischen Japan und Israel sowie
Japan und den Palästinensergebieten ausgeweitet wird, während wir
gleichzeitig mit den führenden Staaten in der Region wie z.B. Ägypten und
Saudi-Arabien zusammenwirken.
Dem von Japan unterbreiteten Konzept der Gestaltung eines Korridors für
Frieden und Prosperität kommt daher zum jetzigen Zeitpunkt besondere
Bedeutung zu.
Japan ruft zur Schaffung dieses Korridors für Frieden und Stabilität auf,
der sich vom Gebiet am Westufer des Flusses Jordan (besser als „Westjordanland“
bekannt) aus über den Jordan bis in die Golfstaaten erstrecken soll.
Im Westjordanland, in dem Palästinenser leben, gibt es einen flachen
Landstreifen, was für diese Region ungewöhnlich ist. Dieser Streifen misst
einige tausend Quadratkilometer und ist ungefähr halb so groß wie Tokyo. Um
Ihnen einen kurzen Überblick über die Korridor-Initiative zu geben: Dieses
Gebiet würde als Mittelpunkt für eine hochwertige Landwirtschaftsproduktion
genutzt werden.
Voranbringen durch Früchte: Vertrauen, Zuversicht und Immunität gegenüber
dem Terrorismus
Der Aufbau des Staates Israel nahm seinen Anfang mit den Erfolgen auf dem
Gebiet der Landwirtschaft. Und was Israel gelungen ist, kann auch den
Palästinensern gelingen. Das Westjordanland kann sehr viel mehr Früchte und
Oliven hervorbringen als jetzt.
Damit dies gelingt, ist es wesentlich, eine regionale Zusammenarbeit in
Bezug auf die Frage des Wassers zu erreichen. Darüber hinaus müssen die
Endprodukte den Jordan überqueren, um in die Golfstaaten als wichtigste
Verbraucher in der Region zu gelangen.
Aus diesem Grund können die Palästinenser nicht umhin, die Zusammenarbeit
mit den betroffenen Ländern zu suchen, nämlich Israel und Jordanien, um
solch einen Korridor zu schaffen.
Tatsächlich enthält diese Aussage das wichtigste Ziel der Initiative des
Korridors für Frieden und Prosperität. Insbesondere Japan würde hierfür als
Unterstützer wirken und alle Beteiligten dazu aufrufen, ihr
Bestes zu geben.
Aufgrund ihrer Erfahrungen mit kooperativen Unternehmungen und den soliden
Erfolgen, die diese Erfahrungen hervorbrächten, erlangten die Menschen in
der Region das wertvollste Gut im Mittleren Osten - nämlich nichts anderes
als Vertrauen.
Aber das ist nicht alles. Durch die landwirtschaftliche Entwicklung und den
Erfolg der agrarindustriellen Zentren würden für die jungen Menschen in den
Palästinensergebieten nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern ihnen
würde auch vor Augen geführt, dass sie in der Lage sind, Herausforderungen
zu meistern. Dadurch würde ihnen Zuversicht vermittelt.
Wir in Asien haben diese Zuversicht bereits zuvor erlangt und wurden von dem
Optimismus erfüllt, dass sich unsere Volkswirtschaften erfolgreich
entwickeln. Ich möchte, dass die Menschen in den Palästinensergebieten das
gleiche Gefühl des Erfolgs verspüren können. Meiner Ansicht nach gibt es
keinen besseren Weg, Immunität gegen den Terrorismus zu entwickeln, als
diesen. Die Vorstellung, dass sich Optimisten voller Zuversicht in Bezug auf
sich selbst und ihre Zukunft dem Terrorismus verschreiben, ist in höchstem
Maße absurd. Sollte es solche Menschen tatsächlich geben, würde ich sie
unbedingt einmal sehen wollen.
Wenn das Westjordanland, das oft als Synonym für Chaos und Tragödie galt,
wirklich zu einem anderen Begriff für „Pfeiler der Stabilität“ und „Erfolgsgeschichte“
werden sollte, können wir davon ausgehen, dass die sich daraus ergebenden
multiplizierenden Effekte sich nicht anders als ausgesprochen positiv auswirken
werden.
Mitte März werden Vertreter der Palästinenser, Israels und Jordaniens in
Tokyo zusammentreffen, um diese Initiative in Angriff zu nehmen. Ich hoffe
sehr, dass Sie diesen wichtigen Termin im Kopf behalten werden.
Ein Freihandelsabkommen mit den Staaten des Golfkooperationsrats und
Anmerkungen zur Türkei
Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf die Errichtung eines Pfeilers der
Stabilität in der Region ist der Ausbau unserer Beziehungen zu den Staaten
des Golfkooperationsrats (GCC). Wir arbeiten derzeit am Abschluss eines
Freihandelsabkommens (FTA) mit dem GCC und machen in Bezug auf das Tempo bei
den Verhandlungen Fortschritte, die bislang ohne Beispiel sind.
Das FTA wird unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu unseren wichtigsten
Handelspartnern im Mittleren Osten, nämlich Saudi-Arabien und die anderen
GCC-Staaten, erheblich ausweiten. Diese Ausweitung wird uns dabei helfen,
eine stabile Versorgung mit Ölressourcen sicherzustellen.
Mit dem Abschluss dieses Abkommens wird es mehr Interaktionen zwischen
japanischen Unternehmen und dem GCC geben, vor allem auch im Bereich der
Direktinvestitionen. Und wenn der Austausch zwischen unseren Ländern zunimmt,
wird auch ein Know-how-Transfer in den Bereichen Management und Business von
Japan in die GCC-Staaten beginnen.
Dies wird einen positiven Kreislauf schaffen, der wiederum mittel- und
langfristig zu größerer Stabilität in den Volkswirtschaften und
Gesellschaften der GCC-Staaten führt. Ich glaube, dass dem Abschluss eines
FTA mit dem GCC in diesem Punkt große Bedeutung zukommt. Tatsächlich macht
dieser Punkt meiner Auffassung nach unser FTA auch in einem weiteren
internationalen Kontext bedeutsam.
Wenn wir den Blick auf die Türkei, eines der größten Länder des Mittleren
Ostens, richten, dann ist es unerlässlich, auch hier einen Pfeiler der
Stabilität zu errichten.
Sowohl in historischer Zeit als auch in der Moderne befand bzw. befindet
sich die Türkei in einer wichtigen geostrategischen Position.
Die Tatsache, dass die türkische Sprache auch in Aserbeidschan bis hin nach
Kirgistan verstanden wird, unterstreicht nur, dass der Interaktion mit der
Türkei heute zunehmende Bedeutung zukommt. Die Türkei ist zudem eines der
wenigen Länder in der Region, deren Beziehungen zu Israel nicht
beeinträchtigt sind. Es ist daher in vielerlei Sinn für die Türkei von
großer Wichtigkeit, einen Mittelpunkt der regionalen Stabilität zu bilden.
Die Türkei wartet zugleich seit vielen Jahren darauf, der Europäischen Union
beitreten zu können, und sogar bei den Verhandlungen über den Beitritt liegt
noch ein sehr steiniger Weg vor ihr. Ich denke, dass wir unsere Bekundungen
moralischer Unterstützung für die Türkei nicht verringern dürfen. Die
Herausforderungen der Modernisierung und Demokratisierung, welche das Land
bereits erfolgreich gemeistert hat, sind solche, die auch die Japaner im
Herzen tragen. Ich sichere der Türkei meine volle Unterstützung zu und
ermutige sie dazu, ihre Anstrengungen mit ganzem Herzen weiterzuführen.
Irak, Iran und Afghanistan
Eine andere Frage lautet, wie wir mit den Ländern umgehen sollen, bei denen
bereits das Risiko besteht, dass ihre Ordnung in einen Zustand der
Instabilität übergeht. Ich denke hier an Irak, Iran und Afghanistan. Keines
dieser Länder gibt Anlass zu Optimismus.
Allerdings unterhalten z.B. in Bezug auf Iran der iranische Außenminister
und ich gegenwärtig eine Beziehung, in der wir jederzeit Telefongespräche
miteinander führen können, und ich beabsichtige, diese Beziehung
aufrechtzuerhalten, damit dies so bleibt. Japan kommt innerhalb der
internationalen Gemeinschaft in den Genuss einer sehr ungewöhnlichen
Stellung, die es unserem Land erlaubt, mit allen Staaten in der ganzen
Region des Mittleren Ostens im weitesten Sinne Gespräche zu führen. Ich
halte dies für ein wichtiges Gut der japanischen Außenpolitik.
Außenpolitik ist nun einmal eine Kunst in ihrer höchsten Vollendung -
nämlich die Kunst der Überzeugung. In diesem Jahr plane ich, unsere
Mitarbeiter im Außenministerium in der Kunst der Überzeugung außerordentlich
gut zu schulen, wenn sie sich mit Iran befassen.
Ich werde heute nicht näher auf Irak oder Afghanistan eingehen, sondern
möchte Ihnen nur drei Überlegungen mit auf den Weg geben.
Die erste ist, dass Japan in den vergangenen Jahren die Zähne
zusammengebissen und in vielfältiger Weise in diese beiden Länder investiert
hat - nämlich personell, materiell und finanziell - und sich dabei mit
wirtschaftlichen und politischen Fragen wie auch mit der Frage der
nationalen Sicherheit befasst hat. Im Irak haben Mitarbeiter meines
Ministeriums sogar ihr Leben verloren bei ihrem Dienst an der Gesellschaft
dieses Landes. Welchem Zweck hätten unsere vielen Anstrengungen gehabt, wenn
wir uns jetzt aus Angst aus diesem Land zurückziehen würden, nachdem wir die
Tragödie des Verlusts unserer Kollegen, die sich an diesen Anstrengungen
beteiligt haben, überwunden haben?
Ich möchte noch hinzufügen, dass wir in der Hoffnung, die Versöhnung unter
den Menschen im Irak zu unterstützen, zufällig für den kommenden März ein
kleines Seminar über nationale Versöhnung hier in Japan planen.
Der zweite Punkt, an den ich Sie heute erinnern möchte, ist, dass, solange
wir nicht in der Lage sind, das Blutvergießen in Irak und Afghanistan zu
beenden, es keine Überraschung ist, wenn sich die Gewalt zwischen den
religiösen Gruppierungen und der Terror der Extremisten über den ganzen
Mittleren Osten hinaus auf verschiedene Regionen in der Welt ausbreiten. In
diesem Sinne kommt dieser Angelegenheit allergrößte Bedeutung zu.
Engagement für ein Ende der Feindschaft und für die Bildung von Vertrauen
Die dritte Überlegung, die ich Ihnen heute mit auf den Weg geben möchte, ist
eine, die stets von großer Bedeutung ist, nämlich dass das Bild von uns
Japanern - egal, ob in Irak und Afghanistan oder irgendwo sonst im Mittleren
Osten - keineswegs negativ ist. Es mag ein wenig anmaßend klingen, dies zu
sagen, aber es scheint wirklich so zu sein.
Es sieht so aus, als ob man den Japanern in den Ländern des Mittleren Ostens
keine negativen Gefühle entgegenbringt. Stattdessen hören wir oft, dass die
Menschen dort Japan in einem positiven Licht sehen, nämlich als ein seltenes
Beispiel für ein nicht-westliches Land, das den Weg der Modernisierung
erfolgreich beschritten hat, ohne dabei seine eigenen Traditionen aufgegeben
zu haben.
Um Ihnen einen anderen Blick auf diesen Punkt zu gewähren, möchte ich einen
Kolumnisten im Irak anführen, der in einem Zeitungsbeitrag das Folgende
schrieb: „Japan war für mich stets ein Teil meiner Wünsche, seit ich ein
kleines Kind war. […] Die Japaner waren hier stets auf unserer Seite
zusammen mit UFO Robo Grendizer und Captain Majed.“
Sie sehen, dass japanische Anime auch in diesem Teil der Welt sehr beliebt
sind. UFO ROBO Grendizer ist eine Anime-Serie über Roboter von Go Nagai. Und
Captain Majed ist der arabische Name für niemand anderen als unseren Anime-Fußballstar
Captain Tsubasa.
Diese beiden Charaktere bilden, was die Beliebtheit angeht, im Irak und im
ganzen Mittleren Osten, eine Klasse für sich. Aber obwohl für Japan ein
solch fruchtbarer Boden in dieser Region besteht, war unser Land bisher
nicht besonders erfolgreich dabei, diese Früchte auch großzuziehen. Wir
müssen uns auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit noch ein bisschen mehr
Mühe geben.
Sollte es allerdings tatsächlich zutreffen, dass Japan das Glück hat, von
den verschiedenen Ländern und Gruppierungen in dieser Region ohne besondere
Vorurteile betrachtet zu werden, dann bedeutet dies, dass sich für Japan
eine einzigartige Rolle ergibt.
Menschen, die in ihrem ganzen Leben keinerlei Umgang miteinander hatten und
sich vielleicht sogar gegenseitig hassen, sind in der Lage, Fragen in
friedlicher Weise miteinander zu diskutieren, wenn sie dazu nach Japan
kommen. Dies ist deshalb möglich, weil, wenn jemand zu einem Treffen nach
Japan kommt, derjenige oder diejenige nicht mit irgendeinem bestimmten
Etikett versehen wird. Mit anderen Worten: Japan ist in der Lage, eine
wichtige Rolle sowohl beim Beenden von Feindschaft als auch bei der Bildung
von Vertrauen zu spielen, und dies ist in der Tat eine Rolle, die wir
spielen sollten.
Japan bringt von den Auswirkungen des Terrors gezeichnete Familien aus
Israel und den Palästinensergebieten zusammen und gibt ihnen die Möglichkeit,
ihre Trauer miteinander zu teilen. Als ich das erste Mal davon hörte, dass
eine Reihe von Kommunen in Japan Programme unterhalten, die diese
miteinander geteilten Gefühle dafür nutzen, um einen Weg zur Versöhnung zu
finden, war ich wirklich begeistert. Das Außenministerium wird diese
Anstrengungen nach Kräften unterstützen.
In Israel und den Palästinensergebieten, aber auch in Japan, bestehen
Initiativen, um Eltern zusammenzuführen, die ihre Kinder verloren haben,
oder Kinder, deren Eltern oder Geschwister getötet wurden. Wir werden mit
ganzem Einsatz dieses wirklich zu Herzen gehende Engagement fortführen.
Zusätzlich zu diesen Projekten bringen wir seit einiger Zeit junge
Angestellte des öffentlichen Dienstes, Studierende und Jugendleiter sowie
Journalisten sowohl aus Israel als auch aus den Palästinensergebieten
zusammen. Je länger wir diese Kontakte vermitteln, desto größer werden ihre
Auswirkungen sein.
Japan fördert zudem den geistigen Austausch sowie Dialogforen wie das „Japanisch-Arabische
Dialogforum“ und den „Dialog unter Zivilisationen zwischen Japan und der
islamischen Welt“. Es ist mein Ziel, dass es vielleicht Japan sein wird, das
sich im Denken der Menschen des Mittleren Ostens dadurch auszeichnet, das es
den Menschen die Möglichkeit bietet, über der ganzen Region gemeinsame
Themen nachzudenken.
Gemeinsame Themen für den Mittleren Osten (Schlussbemerkungen)
Wenn wir nun die Frage aufgreifen, welche gemeinsamen Themen für diese
Region bestehen, dann denke ich, dass die Antwort bereits deutlich geworden
ist.
Ich habe diesen Punkt bis zum Schluss aufgehoben und möchte daher hier mit
besonderem Nachdruck auf die Förderung der humanen Ressourcen in der Region
hinweisen.
Zusammen mit Jordanien und anderen Staaten betont Japan seit langem die
große Bedeutung der Bildung und Entwicklung der humanen Ressourcen im
Mittleren Osten.
In Afghanistan hat Japan insgesamt neun berufliche Ausbildungszentren
eingerichtet, um die Wiedereingliederung früherer Soldaten in die
Gesellschaft zu unterstützen.
Darüber hinaus haben Partnerschaften des öffentlichen und des privaten
Sektors solche Projekte wie ein fortgeschrittenes Ausbildungsinstitut für
Technologie im Bereich Automobile in Saudi-Arabien sowie eine Verbesserung
der Bildung im Bereich Automatengesteuerte Technologie in der Türkei
hervorgebracht. Der hohe Stellenwert der Berufsausbildung ist ein Gütesiegel
des japanischen Engagements im Mittleren Osten.
In Saudi-Arabien ist Japan an einem Programm beteiligt, mit dem Frauen
unterstützt werden, denen so die Grundlagen für eine Unternehmensgründung
vermittelt werden und die sonst oft zu Hause bleiben würden. Ein weiteres
Gütesiegel unserer Anstrengungen ist, dass wir uns für die Stärkung der
Frauen einsetzen.
Der im 16. Jh. lebende Feudalfürst Takeda Shingen soll gesagt haben, dass es
Menschen sind, die Steinmauern errichten und Burgen bauen. Er meinte damit,
dass Menschen in der Tat wertvolle Ressourcen darstellen. Ich bin zwar nicht
Takeda Shingen, aber ich kann sagen, dass Japans moderne Geschichte damit
begann, dass massiv in seine Menschen investiert wurde.
Japan war in den Bereichen staatlich finanzierte Förderung für ausländische
Studierende und Schulpflicht für Grundschulen weltweit führend.
Es ist mir völlig klar, dass es im Falle des modernen Japan das fortgesetzte
Investieren in humane Ressourcen war, das die Grundlage für unsere Freiheit
und unseren Wohlstand bildete.
Während ich mich künftig für die Gestaltung eines weltweiten Bogens der
Freiheit und Prosperität einsetze, werde ich zugleich deutlich machen,
dass die Anstrengungen dafür mit der Entwicklung der humanen Ressourcen
beginnen sollten.
Im Mittleren Osten ist die große Bedeutung der Entwicklung der humanen
Ressourcen und der Bildung in den letzten Jahren angesichts der nach wie vor
vorherrschenden Situation immer stärker betont worden. Wenn ich zuvor von
gemeinsamen Themen für die Region gesprochen habe, dann habe ich dies
gemeint.
Insbesondere in der ersten Hälfte des 21. Jh. wird es in der ganzen Region
des Mittleren Ostens einen rasanten Anstieg der Bevölkerungszahlen geben.
Saudi-Arabien z.B. wird seine Bevölkerung zwischen 2002 und 2025 mehr als
verdoppeln - von 23,5 Mio. auf geschätzte 48,5 Mio. Menschen. Über den
gleichen Zeitraum hinweg wird Ägyptens Bevölkerung von 73 Mio. auf 103 Mio.
Menschen anwachsen. Und auch für Irak wird eine Steigerung von 24 Mio. auf
über 40 Mio. erwartet.
Die Frage ist daher, wie wir der enormen Zahl junger Menschen, die in den
nächsten Jahren geboren werden, eine Hoffnung für die Zukunft bieten und wie
wir die erforderlichen Arbeitsplätze schaffen können. Sollten wir bei
unserem Ansatz in Bezug auf diese Frage irren, dann könnten sehr wohl
Gruppierungen frustrierter Menschen in einem Ausmaß entstehen, wie wir es
bislang nicht gesehen haben. Dies würde mit großer Wahrscheinlichkeit dazu
führen, dass diese Region sich zu einer idealen Brutstätte des Terrorismus
entwickelt.
Angesichts dessen bin ich der Auffassung, dass der Mittlere Osten derzeit an
einem wichtigen Scheideweg angelangt ist.
Ich habe Ihnen heute meine Ansichten darüber dargelegt, was Japan
unternehmen sollte, um dabei zu helfen, die Region des Mittleren Ostens als
Ganzes auf den Weg zu größerer Stabilität zu führen und habe dabei eine
Reihe konkreter Vorschläge gemacht.
Keine der anstehenden Aufgaben ist leicht zu lösen, aber Japan wird bei den
praktischen Wegen für die Umsetzung stets einen verlässlichen und soliden
Ansatz verfolgen und guter Hoffnung sein. Hiermit möchte ich meinen heutigen
Vortrag schließen.
(c) Ministry of Foreign Affairs of Japan
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