Der diesmonatige Film „Tampopo“ von
1986 ist unter Japanophilen seit Jahren ein absoluter Kultfilm! Denn er ist
nicht nur lustig, spannend, erotisch und überaus vielseitig, sondern zeigt
einige zu bewundernde bzw. zu beschmunzelnde Aspekte der japanischen Kultur
– vor allem die Küche und insbesondere die japanische Nudelsuppe.
Nun ist an der Nudelsuppe erst mal nichts heiliges, sie ist sogar besonders
profan, weil eigentlich meist ein Fast-Food-Gericht. Aber Japan wäre nicht
Japan, wenn nicht auch daraus eine Kunst gemacht würde – siehe unseren Film
des Monats! Essen a n sich ist nun mal irgendwie heilig, zumindest sehr
wichtig! Das erfährt jeder, der irgendwohin reist: er müsse dort unbedingt
dies oder jenes essen, und zu dieser Zeit wäre dieser Fisch oder jenes
Gemüse dort besonders frisch und lecker. Und als Mitbringsel dient auch
meist eine zu verspeisende Spezialität des jeweiligen Ortes – z.B. eine
Süßigkeit, Gebäck, eingelegtes Gemüse oder frische Nudeln.
Die Nudelsuppe wiederum ist nicht mehr wegzudenken aus der japanischen Küche.
Grob können wir sie einteilen in: Soba (Buchweizen-„Spaghetti“), Udon (breite
Weizen-„Spaghetti“) und Ramen (dünne, oft gelbliche, gekräuselte
Weizennudeln).
Die Hauptgeschmacksrichtungen spiegeln auch die sonstige Würztechnik in der
japanischen Cuisine wieder: Miso (eine Würzpaste aus Sojabohnen), Shoyu (Sojasoße)
oder einfach Salz.
Während man in Soba-Läden zwischen den seit 1000 Jahren bekannten und
beliebten Soba und Udon – im Winter dampfend heiß, im Sommer vorzugsweise
kalt serviert – wählt, sind die Ramen-shops ganz auf die aus China
stammenden, erst nach dem Zweiten Weltkrieg sich verbreitenden Ramen-Nudeln
spezialisiert. Sie werden immer in einer großen Schüssel mit Brühe nach
eigens kreiertem und wie in dem Film Tampopo streng gehütetem Rezept und
verschieden Toppings dargeboten. Dabei sind meist ein paar Zwiebellauchringe
(negi), Nori-Streifen (das getrocknete Seegrass, das wir schon von
Sushi kennen), blassrosa eingefärbte Fischwurstscheibchen (kamaboko),
mal Bambussprossen, mal Mais oder frischer Spinat und dünne, zarte
Schweinefleischscheiben.
Etwas ungewöhnlich dürfte einem auf der Karte die Geschmackssorten „Kitsune“
(Rotfuchs), „Tanuki“ (dem Waschbären ähnlicher Marderhund) bzw. „Mond-Betrachten“
(tsukimi) vorkommen. Während sich hinter dem „Fuchs“ diesem als
Leibspeise untergeschobene frittierte Tofu-scheiben (abura-age)
verbergen, sind es beim - oft auch fälschlicherweise als (Berg-)Dachs
bezeichneten – Tanuki frittierte Teigstückchen, wie sie beim Tempura
anfallen.
Auf der Tsukimi-Suppe schwimmt dagegen quasi ein Spiegelei, wobei das Eigelb
den Vollmond assoziiert.
Schlürfen ist in Japan übrigens erlaubt und bei der Nudelsuppe mehr als
anempfohlen! Je mehr Flüssigkeit bzw. nach anderen Theorien Luft (wie beim
Wein). Sie gleichzeitig mit den Nudeln einziehen können, desto mehr Geschmack
haben Sie dabei. Außerdem kühlt die Luft die heißen Nudeln. Sonst trinken
Sie eben immer zwischendurch wieder ein paar Schluck der Brühe und pusten
vorher nach herkömmlicher Weise ...
Nudelsuppenrestaurants finden Sie an jeder Ecke und vor allem in jedem
Bahnhof. Wo die längste Schlange ist, schmeckt es im Zweifelsfall am besten.
Japaner stellen sich lieber geduldig an und essen dafür eine erstklassige
Suppe. Ansonsten geht die Pommes- bzw. Würstchenbuden-Mentalität so weit,
dass man auch seine Suppe entweder auf Thekenhockern oder gar im Stehen (tachigui)
schlürft.
An den Bahnhöfen, wo es die Leute besonders eilig haben, muss man sogar am
Eingang ein Ticket am Automaten für die gewünschte Suppensorte lösen, um
diese drinnen an der Theke serviert zu bekommen und sich das dampfende Essen
unter den Augen der Wartenden möglichst schnell einzuverleiben.
Wem das zu fließbandmäßig abläuft und
wer es trotzdem schnell und billig möchte,
kann seine Suppe natürlich auch verpackt im Trockenzustand auf dem Heimweg
im Supermarkt - von denen ja viele 24 Stunden geöffnet haben – kaufen, um
sie zu Hause mit heißem Wasser aufzugießen und vor dem Fernseher direkt aus
der Verpackung zu verspeisen. Während die Zubereitungszeit dieser Cup-bzw.
Bowl-Noodles dann tatsächlich nur zwei, drei Warteminuten beträgt und dafür
aber ein großer Styroporbecher als Müll hinterlassen wird, mussten vor 1971
die (1958 erstmals entwickelten) Instantnudeln meist noch kurz aufgekocht
und dann mit der getrennt verpackten Gewürzmischung versehen werden.
Auch in Deutschland kann man inzwischen in allen Asia-Shops diverse
Nudelsuppen von diversen Herstellern, in den verschiedensten
Geschmacksrichtungen und mit unterschiedlicher Servierfreundlichkeit
erwerben. Wer lieber eine Tampopo-gleichwertige Suppe mit Ambiente genießen
möchte, kann zumindest in Städten mit einem gewissen Anteil an japanischer
Bevölkerung fündig werden. Neben inzwischen über 100 Restaurants bzw.
Imbissen in Berlin, die (u.a.) Sushi servieren, gibt es auch einige wenige
mit leckeren Nudelsuppen.
Guten Appetit!
Wenn Sie die Originalsuppe lieber vor Ort genießen möchten, reisen Sie doch
einfach mal nach Japan. Noch erwischen Sie die wunderbare
Kirschblütenzeit! Wenden Sie sich einfach an die
Japanische
Fremdenverkehrszentrale in Frankfurt.
Und sollten Sie auch die Metropole Yokohama besuchen, dann schauen Sie auch
im Shinyokohama Ramen Museum vorbei. Dort erleben Sie eine typische
Downtown-Szenerie der späten Fünfziger Jahre mit acht Ramen-Restaurants (in Betrieb!), die verschiedene regionale Ramen-Spezialitäten anbieten.
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