Vielleicht erinnern Sie sich an meine Besprechung dieses hinreißenden Filmes
in der Ausgabe von „Neues aus Japan“ vom Juni des letzten Jahres. Der Anlass
für diese Neuauflage ist ein freudiger: Nach vier Jahren hat es das
Meisterwerk von Yohji Yamada, das 2003 im Wettbewerb der Berlinale lief, in
die deutschen Kinos geschafft. Diverse Kinos zeigen den Film nun ihrem
Programm(die Termine finden Sie am Ende des Artikels).
Es mag actionreichere Samuraidramen geben, tiefgründigere,
gesellschaftskritischere. Aber keinen anrührenderen. Der 77. Film von Yoji
Yamada, bekannt geworden als Regisseur von fast 50 „Tora-san“-Filmen,
basiert auf Romanvorlagen von Shuhei Fujisawa und war in Japan ein
durchschlagender Erfolg.
Iguchi
Seibei ist ein abgehalfterter Samurai und alleinerziehender Vater, der nach
dem Tod seiner Frau in sich gekehrt und zurückgezogen lebt, seiner Arbeit
nachgeht und sich um seine zwei Töchter und die debile Mutter kümmert. Er
ernährt seine Familie mehr schlecht als recht indem er als Buchhalter Dienst
tut. Da er entgegen den Gepflogenheiten japanischer „Sarari-Men
(Salary Men)“ sofort nach
der Arbeit (mit einbrechender Dunkelheit) heimgeht, nennen ihn seine
Kollegen mitleidig „Zwielicht-Samurai“. Zwielichtig hingegen ist Seibei nun
gar nicht. Er ist des Kämpfens müde, lehnt Gewalt als Problemlösung ab und
möchte sich eigentlich nur um seine verbliebenen Frauen kümmern. Ein
Warmduscher, würden wir heute sagen. Ein Frauenversteher und Weichei. Und
noch dazu ein unreinliches (mangels Zeit für Körperpflege), was in Japan zu
jeder Zeit ein K.O.-Kriterium war. Yamada präsentiert uns somit einen
Antihelden im wahrsten Sinne des Wortes. Nun wäre „Tasogare seibei“ kein
Yamada-Film, wenn die Figur so einschichtig wäre, wie sie scheint. Seibei
ist ein starker, ein moralischer Mensch, ein Mann mit Prinzipien und Kraft
und natürlich bekommt er Gelegenheit, diese seine Vorzüge eindrucksvoll
unter Beweis zu stellen:
Seibei
ist ein begnadeter Schwertkämpfer und wird von seinem Klan gezwungen, einen
abtrünnigen Samurai zu töten. Ein moralisches Dilemma existentiellen
Ausmaßes. „Tasogare seibei“ fasziniert nicht durch spektakuläre Inszenierung.
In nahe 130 Minuten gibt es lediglich zwei Schwertkämpfe, wovon einer gar
mit lediglich einem Holzschwert geführt wird. Martial- Arts-Liebhaber werden
somit nicht auf ihre Kosten kommen und seien an dieser Stelle auf „Zatoichi“
oder „Samurai-Fiction“ verwiesen. Nein, „Samurai im Zwielicht“ besticht
durch seine konzentrierte und ruhige Erzählweise, seine Sanftheit und
Strenge. Die kraftvolle innere Ruhe des Haupthelden (einfach nur wunderbar:
Hiroyuki Sanada) lässt wiederholt über die eigentlichen Werte des Lebens
nachdenken und eigenes Handeln hinterfragen. Die Handlung, die im
ausgehenden 19. Jahrhundert angesiedelt ist, entwickelt sich somit zu einem
gesellschaftskritischen Drama, welches eindrucksvoll den Werteverfall,
Verlogenheit und Überlebtheit der Samurai-Kaste illustriert.
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Fazit: |
Ein grandioses
Sozialdrama in ruhigen, besonnenen Bildern. Eine Laudatio an einen
faszinierenden Vater und Mann, der in seiner inneren Zerrissenheit eine
vergehende Epoche widerspiegelt. Wunderbare Schauspieler (Hiroyuki Sanada,
Rie Miyazawa, Min Tanaka). 12 japanische Academy-Awards können nicht irren. |
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